Die 3. Auflage der Internationalen Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen (ICHD-3) ist in ihrer finalen Form jetzt auch in der deutschen Übersetzung verfügbar. Sie kann auf der Homepage der ICHD-3 über den Link
https://www.ichd-3.org/ichd-3-translations/
eingesehen werden.
Besonders zu danken ist Prof. Dr. Dr. Stefan Evers, Generalsekretär der International Headache Society, der die Übersetzungstätigkeit so erfolgreich und zielführend organisierte.
Prof. Jes Olesen, Vorsitzender des Kopfschmerzklassifikationskomitees der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft, schreibt in seinem Vorwort zur ICHD-3 u.a.: „Die ICHD-3 wird als 1. Ausgabe der Zeitschrift Cephalalgia 2018 veröffentlicht, exakt 30 Jahre nach der 1. Fassung der Internationalen Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen, ICHD-1, wie wir sie heute nennen. Diese 1. Fassung stützte sich primär auf Expertenmeinungen, erwies jedoch nichtsdestotrotz in großen Teilen ihre Gültigkeit. In die ICHD-2, veröffentlicht 2004, wurde eine Reihe von Veränderungen aufgenommen, die teils durch neue Erkenntnisse veranlasst und teils auf mittlerweile revidierte Expertenmeinungen zurückgingen. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse spielten bei den an der ICHD-3 beta vorgenommenen Änderungen eine vergleichsweise größere Rolle, und alle weiteren in die ICHD-3 aufgenommenen Neuerungen basieren auf derartigen Erkenntnissen. Die Kopfschmerzklassifikation stützt sich also heute voll und ganz auf die Forschung und wird dies auch künftig tun.
Mit der Veröffentlichung der ICHD-3 geht eine lange Reise zu Ende, die 2010 begann, doch auf das gegenwärtige Komitee wartet auch in den nächsten Jahren noch einiges an Arbeit. Die ICHD-3 beta wurde in viele Sprachen übersetzt, und diese Übersetzungen gilt es zu aktualisieren, bevor die ICHD-3 bald in den entsprechenden Sprachen veröffentlicht werden kann. Es steht zu hoffen, dass noch viele weitere Übersetzungen herauskommen, so dass die ICHD-3 in allen geläufigen und sogar in vielen weniger gängigen Sprachen zugänglich ist. Eine elektronische Version der ICHD-3, die bereits unter der Leitung von Professor Hartmut Göbel erstellt wurde, wird auf ICHD-3 aktualisiert werden. In Planung ist ferner in Zusammenarbeit zwischen Prof. Morris Levin und Prof. Jes Olesen die Herausgabe eines Fallbuchs. Und dann wird schließlich von Prof. Timothy Steiner und Prof. Jes Olesen noch eine Brücke zwischen der ICHD-3 und der ICD-11 der WHO hergestellt werden, sobald die Verschlüsselungen für die ICD-11 zur Verfügung stehen.
Wie sieht dann also die Zukunft der Kopfschmerzklassifikation aus? Eine Klassifikation muss im Prinzip konservativ ausgerichtet sein. Sobald an einer Klassifikation größere Veränderungen vorgenommen werden, müssen alle vorangegangenen Untersuchungen, bei denen auf diese nun geänderten Teile der Klassifikation zurückgegriffen wurde, noch einmal aufgegriffen werden. Medikamentenstudien zum Beispiel, die nach den vorherigen diagnostischen Kriterien durchgeführt wurden, müssen wiederholt werden, falls sich bei den diagnostischen Kriterien größere Veränderungen ergeben, da die Patienten, die unter die neue Diagnose fallen, sich von denen unterscheiden werden, die unter die vorherige Diagnose fielen. Meine Hoffnung ist, dass die aktiven Feldstudien und die wissenschaftliche Analyse, die für die ICHD-3 vorgenommen wurden weitergehen und es so ermöglichen, dass künftige Änderungen voll und ganz evidenzbasiert sein werden. Der Tradition entsprechend werden bis zur ICHD-4 10-15 Jahre ins Land gehen, doch werden unterdessen etliche Feldstudien erstellt werden. Modifizierte diagnostische Kriterien der ICHD-II für eine 1.3 chronische Migräne wurden in der Zeitschrift Cephalalgia veröffentlicht, das Klassifikationskomitee stimmte diesen Änderungen zu und bat um ihre sofortige Anwendung, obwohl sie noch nicht in die Internationale Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen aufgenommen worden waren, bevor Jahre später die ICHD-3 beta erschien. Ein künftiges Kopfschmerzklassifikationskomitee sollte auf ähnliche Weise in der Lage sein, der Festlegung neuer oder überarbeiteter diagnostischer Kriterien vor der Veröffentlichung der ICHD-4 zuzustimmen und diese zu unterstützen, wenn diese durch gute in der Zeitschrift Cephalalgia veröffentlichte Feldstudien untermauert werden.
Mit der Kopfschmerzklassifikation in der ICHD-1 wandelten sich Kopfschmerzen von den mit am schlechtesten klassifizierten neurologischen Erkrankungen zu den bestklassifizierten. Wir haben diese Dynamik 30 Jahre lang beibehalten, und die Überlegenheit unserer Klassifikation zeigte sich neulich im Rahmen der Arbeit des Komitees in Genf am neurologischen Teil der ICD-11. Keine andere Fachrichtung innerhalb der Neurologie verfügt über eine derartige systematische Klassifikation samt expliziten Diagnosekriterien für jede Krankheitsentität. Ich hoffe aufrichtig, dass sich diese Tradition in der Zukunft aufrechterhalten lässt und dass die Kopfschmerzklassifikation so zur Wegbereiterin für die Klassifikation neurologischer Erkrankungen schlechthin wird.“
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