Medikamenteninduzierter Kopfschmerz (MIKS) wird auch Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz (MÜK) oder auf Englisch Medication Overuse Headache (MOH) genannt. Er kann entstehen, wenn an mindestens 10 Tagen im Monat Schmerzmittel gegen Kopfschmerzen eingenommen werden. Vor allem Menschen, die unter einem primären Kopfschmerz, wie Migräne und Spannungskopfschmerzen leiden, sind häufig von einem Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz betroffen.

Bei einem Medikamentenübergebrauchskopfschmerz (MÜK) besteht die paradoxe Situation, dass der Einsatz von Schmerz- und Migränemedikamenten zu einer Zunahme von Kopfschmerzen und Migräne geführt hat.

Der Medikamentenübergebrauchskopfschmerz kann als eine Komplikation einer Attackenbehandlung von Kopfschmerzen angesehen werden.

Prinzipiell kann jedes Medikament, das wirksam zur Akutbehandlung von Migräne und Spannungskopfschmerzen eingesetzt wird, bei zu häufiger Einnahme selbst Kopfschmerzen auslösen. Das größte Risiko besteht bei Schmerzmittelmischpräparaten und Triptanen. Entscheidend hierbei ist nicht die Dosis der eingesetzten Medikamente, sondern die Einnahmehäufigkeit.

Bei zu häufiger Einnahme von Schmerzmedikamenten oder Triptanen – definitionsgemäß an mehr als 10 Tagen im Monat – kann es zu einer Zunahme der Kopfschmerzhäufigkeit kommen. Gleichzeitig nimmt die Wirksamkeit und Wirkdauer der zuvor erfolgreich eingesetzten Attackenmedikation immer mehr ab, was wiederum zu einer häufigeren Einnahme der Medikamente führt. Es entsteht ein Teufelskreis aus immer mehr Kopfschmerzen und immer mehr Kopfschmerzmedikamenten.

Selbstmedikation bei Kopfschmerzen ist bei bekannten Kopfschmerzformen sinnvoll, sie ist zeitlich entlastend und kann, wenn die Selbstmedikation wirksam ist, durchaus verantwortet werden. Typische Beispiele sind ein gelegentlich auftretender Spannungskopfschmerz oder aber auch eine Migräneattacke die auf Selbstmedikation anspricht. Im Vordergrund der Behandlung sollten Substanzen wie Aspirin, Paracetamol oder Ibuprofen stehen. Diese Medikamente sollten früh im Anfall eingenommen werden und auch ausreichend dosiert werden. Bei Begleitsymptomen wie Übelkeit oder Erbrechen können zusätzlich Medikamente gegen Übelkeit eingesetzt werden. Als allerwichtigste Regel im Bereich der Selbstmedikation ist die 10-20-Regel zu nennen: Akutschmerzmittel sollten an weniger als an 10 Tagen pro Monat eingenommen werden, an mindestens 20 Tagen pro Monat sollten keine Schmerzmittel gegen Kopfschmerzen verwendet werden. Hintergrund dieser Regel ist, dass bei Überschreiten ein sogenannter Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch eintreten kann. Die Kopfschmerzen werden häufiger, werden länger, werden schwerer und auch die Begleitstörungen können stärker auftreten. Die Kopfschmerzfrequenz nimmt kontinuierlich zu und schließlich kann nach einigen Monaten ein Dauerkopfschmerz entstehen. Bei Beachtung der 10-20-Regel ist eine entsprechende schützende Grenze präsent.

Medikamenteninduzierter Kopfschmerz entsteht als Komplikation der Behandlung von primären Kopfschmerzen. Dabei wird mit zunehmender Häufigkeit der Anwendung von Akutmedikamenten die Kopfschmerzfrequenz erhöht, es entsteht dann als Komplikation der Behandlung ein sogenannter sekundärer Kopfschmerz, der Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch. Typischerweise wird die 10-20-Regel überschritten, die Kopfschmerzfrequenz nimmt zu, schließlich erreicht man 12, 15, 20 und mehr Tage im Monat mit Akutmedikation und noch mehr Kopfschmerztagen. Die einzige nachhaltige wirksame Strategie ist, eine sogenannte Medikamentenpause einzulegen. Man unterbricht die Medikamentengabe. Es entsteht ein Rebound-Kopfschmerz, ein sogenannter Rückschlagkopfschmerz. In dieser Phase sind die Patienten sehr stark beeinträchtigt. Es ist deshalb erforderlich, dass sie eine Begleitmedikation erhalten, die nicht Medikamente beinhaltet, die üblicherweise bei akuten Attacken eingesetzt wird. Auch kann die Gabe von Prednisolon hilfreich sein. Bei Übelkeit und Erbrechen werden sogenannte Antiemetika, Mittel gegen Übelkeit, eingesetzt. Bei leichten Verläufen kann eine ambulante Therapie durchgeführt werden, bei schwerwiegenden Verläufen ist die stationäre Behandlung nach aktuellen Studien deutlich wirksamer als die ambulante oder tagesklinische Behandlung. Nach Abklingen der Umstellungskopfschmerzen muss eine medikamentöse Vorbeugung der primären Kopfschmerzen aufgebaut werden, damit ein Rückfall in den Medikamentenübergebrauchskopfschmerz vermieden wird. Wir haben zur Langzeitbetreuung das bundesweite Kopfschmerzbehandlungsnetz initiiert, regional tätige Ärzte können die Behandlung über 1 Jahr weiterführen, um die Patienten zu beraten und entsprechend die medikamentöse und nichtmedikamentöse Vorbeugung zu optimieren und anzupassen.

Bei Kopfschmerzen spielen Erleben und Verhalten eine entscheidende Rolle. Sie entstehen im zentralen Nervensystem. Das zentrale Nervensystem reguliert nicht nur Körpermechanismen und rein körperliche Funktionen, die Hauptaufgabe ist, Erleben und Verhalten zu ermöglichen, Regulationen, Motivation und Emotionen zu bedingen und zu steuern. Psychische Mechanismen spielen daher bei allen Schmerzen eine entscheidende Rolle. Schmerzen werden in der Hirnrinde erlebbar gemacht, dem Bewusstsein zugeführt. Psychische Bedingungen werden daher immer in Schmerzen eingewogen und verändern und färben das Schmerzerlebnis. Daher spielen psychologische Therapieverfahren, psychologische Strategien zur Schmerzvorbeugung eine zentrale Rolle in der Schmerzbehandlung. Psychische Erkrankungen, die zu Kopfschmerzen führen, sind insbesondere die Depression und sogenannte somatoforme Störungen, auch Psychosen können psychisch bedingte Kopfschmerzen verursachen. Die Behandlung zielt ganz auf die zugrundeliegende Bedingung dieser sogenannten sekundären Kopfschmerzen bei psychiatrischen Erkrankungen ab. Ansonsten gilt bei allen Kopfschmerzformen, insbesondere bei den primären Kopfschmerzen, dass psychische Faktoren bei der Behandlung berücksichtigt werden müssen. Dies beginnt beim Führen eines Kopfschmerzkalenders, bei der Verhaltensanalyse, Entspannungsverfahren, Behandlung von Angst und Depression im Zusammenhang mit den Kopfschmerzen. Auch soziale Bedingungen, Partnerschaftfragen und anderes muss in der Behandlung berücksichtigt werden.

Wir unterscheiden heute 363 verschiedene Kopfschmerzhauptdiagnosen. „Den“ Kopfschmerz gibt es genauso wenig wie „den“ Bauchschmerz. Die genaue Differenzierung der Schmerzmechanismen und der Bedingungen, die den Schmerz unterhalten, ist daher von zentraler Bedeutung. Bei den häufigsten Kopfschmerzen, der Migräne und dem Kopfschmerz vom Spannungstyp sowie bei dem Medikamentenübergebrauchskopfschmerz, sind die Mechanismen heute sehr gut bekannt, man kann auch daher spezifisch in die Schmerzmechanismen eingreifen. Der Migräneschmerz entsteht durch eine sogenannte neurogene Entzündung an den Blutgefäßen der Hirnhäute. Dort werden bestimmte Nervenbotenstoffe freigesetzt, die lokal eine Entzündung bedingen. Dies führt zu einer erhöhten Schmerzempfindlichkeit der Gefäßhäute, jede Erschütterung, jede Bewegung, jedes Pulsieren und Pochen tut daher weh. Die Auslösung der übermäßigen Freisetzung dieser Entzündungsstoffe entsteht durch eine Aktivierung von bestimmten Nervenkernen im Hirnstamm. Dies ist eine Folge an übermäßigen Regulierungen aufgrund Energiedefizite durch erhöhten Energieumsatz in den Nervenzellen. Es sind heute 12 Risikogene für die Migräne bekannt. Diese führen zu einer Verstärkung und Freisetzung der besprochenen Neurotransmittern und Neuropeptide im Nervensystem. Daraus leitet sich ab, dass die Migränetherapie komplex in dieses Geschehen eingreifen muss, um das Kopfschmerzgeschehen zu stabilisieren.

Die Entstehung des Kopfschmerzes bei Medikamentenübergebrauch wird mit einer Erschöpfung des körpereigenen Schmerzabwehrsystems erklärt. Durch die häufigen Schmerzattacken und die übermäßige Einnahme von akuten Schmerzmitteln wird das körpereigene Schmerzabwehrsystem zunehmend erschöpft und es entstehen zunehmend mehr Kopfschmerzepisoden bis hin zu einem Dauerkopfschmerz am Ende der pathophysiologischen Entwicklung.