Leichte Sprache:
  • Bleiben Sie daheim
  • Hauptsymptome bei Covid-19: Fieber, Frösteln, trockener Husten
  • leichtes Fieber nicht senken
  • Fieber kann Viren-Vervielfältigung hemmen
  • Bei Fieber ins Bett: schonen
  • Ibuprofen oder Paracetamol bei hohem Fieber möglich
  • Welches Medikament bei Covid-19 besser ist: unbekannt
  • hohes Fieber spricht nicht an: Novaminsulfon möglich

Fachsprache:
Die Diskussion zum Einsatz von nichtsteroidalen Antirheumatika, kurz NSAR, bei viralen Infekten wird lange geführt. Bereits 1963 beschrieb der australische Pathologe Reye bei viralen Infekten eine akute Enzephalopathie und Hepatopathie, die mit der Einnahme von Acetylsalicylsäure in Verbindung gebracht wurde. Ob diese Symptomatik tatsächlich auf die Behandlung oder vielmehr auf den viralen Infekt zurückzuführen ist, ist bis heute nicht eindeutig entschieden. Diese seltenen Einzelfälle führten jedoch dazu, dass in der Kinderheilkunde Acetylsalicylsäure weitgehend von Ibuprofen oder Paracetamol verdrängt wurde. Allerdings gibt es auch Einzelfallberichte und tierexperimentelle Studien, die zeigen, dass die Behandlung viraler Infekte mit Ibuprofen zu ähnlichen Störungen führen kann. Konsequenz war, dass Paracetamol als das vermeintlich verträglichste Medikament bei Fieber und Infekten in der Kinderheilkunde zunehmend eingesetzt wurde.

Nichtsteroidale Antirheumatika wie Acetylsalicylsäure oder Ibuprofen und Paracetamol müssen hinsichtlich ihrer pharmakologischen Wirkung differenziert betrachtet werden. Sie haben verschiedene Einsatzschwerpunkte. Acetylsalicylsäure hat eine ausgeprägte thrombozytenaggregationshemmende Wirkung, dieser Effekt auf die Blutgerinnung ist bei Ibuprofen kaum relevant. Paracetamol wirkt nur sehr leicht schmerzlindernd und nur moderat fiebersenkend. NSARs wie Ibuprofen, Acetylsalicylsäure und Diclofenac haben zusätzlich eine antiinflammatorische Wirkung. Will man gerade letztere Eigenschaft für die Behandlung nutzen, sind NSARs vorzuziehen. In der Schmerztherapie ist Paracetamol kaum wirksam. Es kann jedoch zur leichten Fiebersenkung, falls erforderlich, erwogen werden.

Die aktuelle Kontroverse zum Einsatz von Ibuprofen bei Covid-19 (Coronavirus-Disease-2019) entstand vor dem Hintergrund, dass die European Medicines Agency (EMA) Ibuprofen für den Einsatz bei Covid-19 empfohlen hat. Dies führte vielerorts zu Lieferengpässen, da die Bevölkerung sich für alle Fälle eindecken wollte. Aktuelle Untersuchungen in Italien zeigen, dass 75 Prozent der Infektionen mit Sars-CoV-2″ („Severe Acute Respiratory Syndrome“-Coronavirus-2) asymptomatisch ablaufen oder nur sehr leichte Symptome aufweisen. Die Selbstmedikation von Fieber mit Ibuprofen wurde daher als sachgerecht vermittelt.

Der französische Gesundheitsminister kritisierte diesen Vorschlag mit dem Hinweis, dass bevorzugt Paracetamol eingesetzt werden sollte, da Ibuprofen bei Covid-19 den Krankheitsverlauf verschlechtern könnte. Französische Medien griffen diese Warnung auf und berichteten von einzelnen Jugendlichen mit Covid-19, deren Erkrankungssymptomatik sich nach der Einnahme von Ibuprofen verschlechterte. Das betroffene Krankenhaus selbst jedoch bestätigte dies nicht und lehnte es ab, sich an Spekulationen zu beteiligen, die in den sozialen Netzen schnell und umfangreich kursierten. Dies führte zu der Auffassung, dass die Warnung vor NSAIDs in der Behandlung von Covid-19 Fake News seien.

In der Folge stellte die EMA fest, dass es zurzeit keine wissenschaftliche Evidenz dafür gebe, dass ein Zusammenhang zwischen Ibuprofen und der Verschlechterung von Covid-19 bestehe. Die Situation solle eng prospektiv im Zusammenhang mit der Pandemie monitoriert werden.

Die EMA wies jedoch auch darauf hin, dass bei der Behandlung von Fieber und Schmerz bei Covid-19-Patienten alle verfügbaren Optionen erwogen werden sollten, einschließlich Paracetamol und andere verfügbare NSAIDs. Die verschiedenen Wirkungsweisen und Vorteile der unterschiedlichen Wirkstoffe sollten dabei reflektiert werden.

Bis heute gibt es keine genauen Erkenntnisse zwischen einem schädlichen Zusammenhang von NSAR und Covid-19. Gleichwohl sollte man Vorsicht walten lassen, da es ausreichende Evidenz für einen Zusammenhang zwischen der Gabe von NSAIDs und sowohl respiratorischen als auch kardiovaskulären Nebenwirkungen gibt. Die reflexartige standardmäßige Gabe von NSAIDs als primäre Option für die Behandlung von Symptomen von Covid-19 wird daher nicht empfohlen.

Generell sollte die weitverbreitete Gabe von Schmerzmittel im Rahmen der Selbstmedikation zur Fiebersenkung bei Erkrankungen der Atemwege in Frage gestellt werden. Fieber kann im Krankheitsverlauf eine Reihe von Vorteilen haben, die genutzt werden sollten. Fieber kann einerseits als prognostisches Kriterium im Rahmen einer Infektionserkrankung betrachtet werden, das mit einer höheren Heilungsrate assoziiert ist. Es hemmt die Reproduktion von Bakterien und die Replikation von Viren. Hitzeschock-Proteine, die bei Fieber freigesetzt werden, können Zellläsionen verhindern. Es ist aufgrund der aktuellen Evidenz nicht begründet, dass Medikamente wie Ibuprofen oder Paracetamol zur routinemäßigen Behandlung von akuten respiratorischen Infektionen einschließlich Covid-19 eingesetzt werden sollten. Dies gilt insbesondere bei milden Verläufen. Eine bewährte alternative Option bei hohem Fieber, das auf andere Maßnahmen nicht anspricht, ist Novaminsulfon.

Fieber ist ein häufiges Symptom bei Covid-19, Influenza und anderen Infekten des Respirationstraktes. Eine Körpertemperatur über 38 Grad Celsius kann als Fieber angesehen werden. Fieber soll und muss nicht reflexartig supprimiert werden. Literaturübersichten zeigen, dass Antipyretika bei Kindern mit Infektionskrankheiten die Erholungszeit nicht verlängern. Allerdings kann Paracetamol eine reduzierte Antikörperantwort bei Infektionen bedingen. Daher wird die Vermeidung von fiebersenkenden Mittel in der Frühphase der Infektion empfohlen. Fiebersenkende Mittel können auch nicht Fieberkrämpfe bei entsprechend anfälligen Kindern verhindern.

Alte Menschen sind besonders von Komplikationen bei Covid-19 betroffen. Sie weisen auch bei schweren Infekten reduzierte Fieberantworten auf, was auf ein geschwächtes Immunsystem hinweist. Antipyretika bei Covid-19 Patienten im kritischen Zustand mit limitierter kardiopulmonaler Reserve können durch Fiebersenkung das Risiko für hypoxische Zustände reduzieren.

Die Sekundärprophylaxe von kardiovaskulären Erkrankungen mit Acetylsalicylsäure sollte unabhängig weiter erfolgen, da entzündungshemmende Effekte erst in viel höheren Dosierungen zu erwarten sind. Ebenfalls unabhängig von dieser Problematik ist die episodische Gabe von Medikamenten wie Ibuprofen bei akuten Migräneattacken bei Kindern und Jugendlichen weiter sachgerecht, wenn erforderlich. Ein genereller Verzicht im Rahmen der aktuellen Pandemie zur Behandlung von primären Kopfschmerzen ist nicht begründet.

Literatur:

EMA gives advice on the use of non-steroidal anti-inflammatories for COVID-19 | European Medicines Agency https://www.ema.europa.eu/en/news/ema-gives-advice-use-non-steroidal-anti-inflammatories-covid-19

Covid-19: ibuprofen should not be used for managing symptoms, say doctors and scientists. BMJ 2020; 368 doi: https://doi.org/10.1136/bmj.m1086  (Published 17 March 2020) Cite this as: BMJ 2020;368:m1086

Covid-19: European drugs agency to review safety of ibuprofen. BMJ 2020; 368 doi: https://doi.org/10.1136/bmj.m1168  (Published 23 March 2020) Cite this as: BMJ 2020;368:m1168

Sophie Park, Jon Brassey, Carl Heneghan and Kamal Mahtani (2020) Managing Fever in adults with possible or confirmed COVID-19 in Primary Care. https://www.cebm.net/covid-19/managing-fever-in-adults-with-possible-or-confirmed-covid-19-in-primary-care/