Aufgrund einer Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vom 15.3.2021 setzte die Bundesregierung die Corona-Impfungen mit AstraZeneca vorsorglich aus. Weitere Untersuchungen waren notwendig. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) prüfte, ob und wie sich die neuen Erkenntnisse auf die Zulassung des Impfstoffes auswirken. Das Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) ampfahl nach intensiven Beratungen zu den in Deutschland und Europa aufgetretenen schwerwiegenden thrombotischen Ereignissen die vorübergehende Aussetzung der Impfungen mit dem Covid-19-Impfstoff AstraZeneca. Gegenüber dem Stand vom 11.03.2021 sind weitere Fälle (Stand: Montag, den 15.03.2021) in Deutschland gemeldet worden. Bei Analyse des neuen Datenstands sahen die Expertinnen und Experten des Paul-Ehrlich-Instituts eine auffällige Häufung einer speziellen Form von sehr seltenen Hirnvenen-Thrombosen (Sinusvenenthrom-bose) in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie) und Blutungen in zeitlicher Nähe zu Impfungen mit dem COVID-19-Impfstoff AstraZeneca. Die Daten wurden von der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA) weiter analysiert und bewertet. Bis zum Abschluss der Bewertung durch die EMA wurden die Impfungen mit dem Covid-19-Impfstoff von AstraZeneca in Deutschland ausgesetzt. Die Entscheidung betraf sowohl Erst- als auch Folgeimpfungen. Das Paul-Ehrlich-Institut wies darauf hin, dass Personen, die den COVID-19-Impfstoff AstraZeneca erhalten haben und sich mehr als vier Tage nach der Impfung zunehmend unwohl fühlen z.B. mit starken und anhaltenden Kopfschmerzen oder punktförmigen Hautblutungen, sich unverzüglich in ärztliche Behandlung begeben solten.
Prof. Dr. Hartmut Göbel: “Das Neuauftreten von Kopfschmerzen meist über vier und mehr Tagen in Verbindung mit neurologischen Ausfällen wie Schwindel, Sehstörungen, Tinnitus und Augenmuskellähmungen und variierenden Bewusstseinsstörungen ist die entscheidende Leitsymptomkonstellation für die Sinusvenenthrombose. Diese Kopfschmerzen unterscheiden sich deutlich von typischen Kopfschmerzen nach einer Covid-Impfung. Letztere treten bei rund 50% innerhalb von 17 h nach der Impfung im Mittel mit einer Dauer von 18 h auf. Bewusstseinsstörungen bestehen als Begleitsymptom nicht.”
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat den Sachverhalt geprüft und am 18. März 2021 empfohlen, weiter mit dem Impfstoff von AstraZeneca zu impfen. Die Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsminister von Bund und Ländern haben am 18. März 2021 beschlossen, die Impfungen mit dem Impfstoff von AstraZeneca ab dem 19. März 2021 wieder aufzunehmen. Begründet wurde das Vorgehen damit, dass die Vorteile des Impfstoffs bei der Bekämpfung der immer noch weit verbreiteten Bedrohung durch COVID-19 das Risiko von Nebenwirkungen weiterhin überwiegen. In den Produktinformationen wurde ein Warnhinweis aufgenommen.
Ein Rote-Hand-Brief vom 24.3.2021 erläutert: “Die Geimpften sollten angewiesen werden, sofort einen Arzt aufzusuchen, wenn sie nach der Impfung Symptome wie Kurzatmigkeit, Brustschmerzen, Beinschwellungen oder anhaltende Bauchschmerzen entwickeln. Außerdem sollten alle Personen, die nach der Impfung neurologische Symptome aufweisen, wie starke oder anhaltende Kopfschmerzen oder verschwommenes Sehen, oder bei denen nach einigen Tagen auf der Haut Blutergüsse (Petechien) außerhalb des Verabreichungsortes der Impfung auftreten, umgehend einen Arzt aufsuchen.”
Download: Rote-Hand-Brief COVID-19 Vaccine AstraZeneca: Risiko von Thrombozytopenie und Gerinnungsstörungen
Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, warum man in Deutschland die Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff auf Menschen unter 65 Jahre entgegen der Zulassung durch die EMA (European Medicines Agency) mit dem Hinweis auf zuwenige Wirksamkeitsdaten bei älteren Menschen beschränkt hat. Gerade junge Frauen im Gesundheitssystem, Krankenschwestern, Ärztinnen u.a., sind dadurch prioritär mit diesem Impfstoff behandelt worden. Welcher Nutzen ein zusätzlicher Warnhinweis im Beipackzettel auf die Komplikationen hat, wenn keine Alternativen zur Wahl gestellt werden, ist offen. Das wäre verständlich, wenn es keine anderen Optionen gegeben hätte. Diese waren jedoch mit Biontech/Pfizer u.a. Wirkstoffen verfügbar. Junge Frauen gehören nach den aktuellen Befunden zur besonderen Risikogruppe der beschriebenen Komplikationen. So hat am 29.3.2021 aktuell der Kreis Euskirchen mit sofortiger Wirkung beschlossen, nicht mehr Frauen, die jünger als 55 Jahre sind, mit dem AstraZeneca-Wirkstoff zu impfen. Auch die Uni-Klinik Rostock setzt nach ihrer Mitteilung vom 26.3.2021 nach einem Todesfall einer 49-jährigen Krankenschwester AstraZeneca-Impfungen für Menschen mit Bluthochdruck, Übergewicht sowie bei Frauen, die die Pille nehmen, aus. Ebenso das kanadische Expertengremium für die Corona-Impfkampagne empfiehlt aktuell die Aussetzung des Mittels von Astrazeneca für Menschen im Alter unter 55 Jahren. Nach einer Meldung vom 30.3.2021 setzen auch die landeseigenen Kliniken Charité und Vivantes in Berlin Impfungen mit dem Astrazeneca-Präparat für Frauen unter 55 Jahren aus. Nach Berlin kündigte auch die Stadt München am 30.8.2021 an, bis auf Weiteres keine Personen unter 60 mehr mit AstraZeneca zu impfen. Ebenso sprechsen sich am 30.3.2021 die Direktoren von fünf Universitäts-Kliniken in Nordrhein-Westfalen für einen vorläufigen Stopp von Impfungen jüngerer Frauen mit dem Impfstoff von AstraZeneca aus. Und ebenfalls heute am 30.3.2021 wurde von der Ständigen Impfkommission (Stiko) bekannt: „Auf Basis der derzeit verfügbaren, allerdings noch begrenzten Evidenz und unter Berücksichtigung der gegenwärtigen pandemischen Lage empfiehlt die Stiko, die Covid-19 Vaccine AstraZeneca für Personen im Alter über 60 Jahren zu verwenden. Ihr Einsatz unterhalb dieser Altersgrenze bleibt indes nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoakzeptanz nach sorgfältiger Aufklärung möglich. Hinsichtlich der zweiten Impfstoffdosis für jüngere Personen, die bereits eine erste Dosis der Covid-19 Vaccine AstraZeneca erhalten haben, wird die Stiko bis Ende April Stellung nehmen.”
Neben Aspirin und Ibuprofen ist auch Novaminsulfon eine Option. Die Medikamente sollten nicht vorbeugend genommen werden, sondern erst, wenn Symptome auftreten. Die Impfung muss nicht abgesagt werden, wenn bereits vorher Kopfschmerzen bestehen.
Unwohlsein und Kopfschmerzen haben über 50% der Geimpften. Das Neuauftreten von Kopfschmerzen meist über vier und mehr Tagen in Verbindung mit neurologischen Ausfällen wie Schwindel, Sehstörungen, Tinnitus und Augenmuskellähmungen und variierenden Bewusstseinsstörungen ist die entscheidende Leitsymptomkonstellation für die Sinusvenenthrombose. Diese Kopfschmerzen unterscheiden sich deutlich von typischen Kopfschmerzen nach einer Covid-Impfung. Letztere treten bei rund 50% innerhalb von 17 Stunden nach der Impfung im Mittel mit einer durchschnittlichen Dauer von 18 Stunden auf. Bewusstseinsstörungen bestehen als Begleitsymptom nicht.
Dazu schreibt das RKI (https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/gesamt.html): Seit dem 01.04.21 empfiehlt die STIKO die Impfung mit dem Impfstoff Vaxzevria der Firma AstraZeneca nur noch Personen im Alter von ≥60 Jahre.
Der Grund für diese Altersbeschränkung liegt in den seltenen Fällen von Thrombosen in Kombination mit Thrombopenien, die nach der Impfung bei wenigen Geimpften aufgetreten sind.
Diese schweren, teilweise tödlich verlaufenden Nebenwirkungen wurden überwiegend bei Frauen im Alter ≤55 Jahren beobachtet. Es waren aber auch Männer und Ältere betroffen. (siehe FAQ “Worauf sollten Personen <60 Jahre achten, die bereits mit dem AstraZeneca-Impfstoff geimpft wurden?")
Die STIKO schränkt ihre Empfehlung deshalb nach einer Risiko-Nutzen-Abwägung für beide Geschlechter ein.
In der Altersgruppe der ≥60-jährigen nimmt das Risiko einer schweren bzw. tödlichen COVID-19-Erkrankung zu, sodass die Nutzen-Risiko-Abwägung hier eindeutig zu Gunsten der Impfung ausfällt:
Die Impfung mit AstraZeneca verhindert effektiv eine (schwere) COVID-19-Erkrankung in einer Bevölkerungsgruppe, die – verglichen mit Erkrankten der Altersgruppe 18-bis-60 Jahre - ein mehr als 60-mal höheres Risiko hat an COVID-19 zu versterben (Quelle: RKI-Meldedaten). Gleichzeitig traten 89% der gemeldeten thromboembolischen Ereignisse bei <60-Jährigen und damit nicht in dieser von COVID-19 besonders gefährdeten Altersgruppe ≥60 Jahre auf.
Die STIKO empfiehlt Personen ≥60 Jahre daher weiterhin die Impfung mit der COVID-19 Vaccine AstraZeneca. In der älteren Altersgruppe wird der Impfstoff im Allgemeinen besser vertragen und führt zu weniger häufigen und weniger schweren Impfreaktionen.
Darüber hinaus ist unabhängig vom Alter eine Entscheidung nach ärztlichem Ermessen für die erste oder zweite Impfstoffdosis mit Vaxzevria von AstraZeneca möglich, die bei individueller Risikoakzeptanz nach sorgfältiger Aufklärung getroffen wird, . Bislang liegen keine Daten zum Risiko bei Zweitimpfung vor.
Stand: 01.04.2021
Guten Tag Herr Professor Göbel,
soweit ich es mitbekommen habe, ist Astra Zeneca bisher überwiegend an jüngere verimpft worden, weil es bis vor kurzem noch für über 65jährige abgeraten wurde. Muss man daraus nicht schließen, dass diese Tromboseform deshalb nur bei jüngeren Personen aufgetreten ist, weil die älteren bis jetzt kaum damit geimpft wurden? Ich selbst bin 71.
Vielen Dank und freundliche Grüße
Uta Dohmeyer
Lieber Herr Professor Göbel,
am 1. 4., also in 3 Tagen, werde ich mit AstraSeneca geimpft. Den Impfberechtigungsschein habe ich erhalten wegen der chronischen Migräne, der seit Juli sehr starken Ausprägung der Fibromyalgie und vor allem der schweren Depression.
Nun bat mich meine Ärztin, Frau Dr. Seeck-Hirschner, bei Ihnen anzufragen, welches Schmerzmittel ich im Falle starker Kopfschmerzen nehmen soll. In den letzten Jahren habe ich Novaminsulfon 500mg/ml eingenommen, mit zunehmend mäßigem Erfolg. Wäre das geeignet oder überhaupt im Falle einer Impfung erlaubt? Weiter oben empfehlen Sie Aspirin – käme das auch für mich in Frage?
Natürlich besteht auch bei mir die Sorge vor einer Sinusvenenthrombose, zumal ich nicht zwischen einer solchen und den ganz normalen Migräneschmerzen unterscheiden könnte, weil die bei mir meistens mehr Tage andauern, mit Schwindel, Seh- und Sprechstörungen.
Muss ich die Impfung absagen, wenn am Impftag bereits vorher Kopfschmerzen vorhanden sind?
Für eine zeitnahe Antwort wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Freundliche Grüße aus Flensburg
Ihre
Gyde Kuchcinski
Liebe Frau Schröter
durch die Impfung wird in aller Regel keine Migräne ausgelöst. Bei ca. 50% enstehen für ca 17 h mittelstarke Kopfschmerzen durch die Immunreaktion. Diese sind von der Migräne unabhängig.
Migräne bedingt kein erhötes Risiko für eine Sinusvenenthrombose.
Triptane wirken bei Kopfschmerzen nach der Impfung nicht. Ibuprofen oder Aspirin wären geeignet.
Freundliche Grüße
Hartmut Göbel
Guten Tag Herr Professor Göbel,
bin ich als Migränebetroffene (w,45, NR, normalgewichtig) mit Aura (Sehstörungen, Taubheitsphasen etc.) durch eine Astra Zeneca-Impfung gefährdeter für die betreffenden Thrombosen ?
Herzlichen Dank für Ihre Einschätzung.
Freundliche Grüße vom Westufer
Ich (70 Jahre) alt werde am 18.4.21 voraussichtlich mit AstraZeneca geimpft ,da ich seit ca. 60 Jahren unter Migräne leide, vermute ich als Impfreaktion eine starke Migräne.
Frage: 1. Besteht bei Migränepatienten durch die Impfung ein Risiko für Sinusvenenthrombosen – zumal man bei mir mal eine Anastomose im Gehirn festgestellt hat? und
2. Darf ich im Falle einer Impfungreaktion mit Kopfschmerzen Triptane einnehmen?
Mit freundlichen Grüßen
Annegret Schröter