Jüngste Studien haben gezeigt, dass Frauen unter 45 Jahren häufiger einen Schlaganfall erleiden als Männer.- Die meisten Schlaganfälle werden durch sog. „traditionelle“ vaskuläre Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Hyperlipidämie und Diabetes verursacht. Frauen weisen jedoch eine geringere Häufigkeit dieser Risikofaktoren auf als Männer. Eine aktuelle Studie von Leppert und Kollegen untersuchte, welche weiteren nicht-traditionelle Risikofaktoren außer den bisher bekannten für Schlaganfälle bestehen.

Insgesamt wurden 2618 Patienten mit Schlaganfällen (52 % Frauen; 73,3 % ischämische Schlaganfälle) und 7827 Kontrollen untersucht. Alle traditionellen Risikofaktoren waren bei den Fällen häufiger anzutreffen als bei den Kontrollpersonen. Die häufigsten traditionellen Risikofaktoren waren Bluthochdruck (44,3 %), Hyperlipidämie (33 %) und Tabakkonsum (28,8 %) bei Männern und Bluthochdruck (41,6 %), Tabakkonsum (32,8 %) und Hyperlipidämie (28,9 %) bei Frauen. Die häufigsten nicht-traditionellen Risikofaktoren waren Migräne (24,2 %), Nierenversagen (15,5 %) und Thrombophilie (12,4 %) bei Männern und Migräne (43,6 %), Thrombophilie (13,5 %) und bösartige Erkrankungen (11,4 %) bei Frauen. Frauen mit Schlaganfall waren seltener schwanger, nahmen aber häufiger orale Verhütungsmittel ein als die Kontrollgruppe. Migräne wurde mit 20,1 % und 34,5 % der Schlaganfälle bei Männern und Frauen in Verbindung gebracht.

Die Studie zeigt, dass nicht-traditionelle Risikofaktoren bei der Entwicklung von Schlaganfällen sowohl bei Männern als auch bei Frauen genauso wichtig waren wie traditionelle Risikofaktoren. Bluthochdruck war der wichtigste traditionelle Risikofaktor, der mit zunehmendem Alter sowohl bei Männern als auch bei Frauen an Bedeutung gewann und für 27,8 % bzw. 26,7 % der Schlaganfälle bei Männern und Frauen im Alter von 45 bis 55 Jahren verantwortlich war. Dagegen war Migräne der wichtigste nicht-traditionelle Risikofaktor, dessen Anteil mit dem Alter abnahm und der bei Männern und Frauen unter 35 Jahren 20,1 % bzw. 34,5 % der Schlaganfälle verursachte. Nicht-traditionellen Risikofaktoren zeigten sich für die Entwicklung von Schlaganfällen bei jungen Männern und Frauen als gleich wichtig. Die Ergebnisse unterstreichen, wie bedeutsam es ist, bei jungen Erwachsenen auch nicht-traditionelle Risikofaktoren für die Ursache von Schlaganfällen zu berücksichtigen. Migräne erwies sich in dieser Studie als der wichtigste nicht-traditionelle Risikofaktor bei jungen Erwachsenen.  Diese Studie zeigt zum ersten Mal den Beitrag der Migräne zum zurechenbaren Gesamtrisiko für Schlaganfälle bei jungen Erwachsenen, das die Hälfte des der Bevölkerung zurechenbaren Risikos bei Erwachsenen unter 35 Jahren betrug.

Es gibt viele datengestützte Hypothesen, die den Zusammenhang zwischen Migräne und Schlaganfall erklären (s. Abbildung), von (1) Hyperkoagulabilität aufgrund erhöhter gerinnungsfördernder Substanzen, die durch Rauchen oder exogenes Östrogen verstärkt werden, bis hin zu (2) Hypoperfusion, die durch kortikale Spreading Depression verursacht wird,  (3) endothelialer Dysfunktion, die durch beschleunigte Atherosklerose verursacht wird, (4) Embolien, die durch Rechts-Links-Shunts ausgelöst werden, (5) genetischen Zusammenhängen, die sowohl Migräne als auch Schlaganfälle verursachen, und (6) Behandlungen, die bei Migräne eingesetzt werden, einschließlich nichtsteroidaler entzündungshemmender Medikamente, Triptane und Ergotamin. Wie stark jeder einzelne Mechanismus zum Gesamtrisiko eines Schlaganfalls bei Migränepatienten beiträgt oder ob Migräne ein modifizierbarer Risikofaktor für einen Schlaganfall ist, ist bisher noch offen. Bislang ist die einzige Intervention zur Verringerung des Schlaganfallrisikos bei Migränepatienten die Empfehlung, kombinierte hormonelle Kontrazeptiva bei Frauen mit Migräne mit Aura zu vermeiden. Allerdings können Migräne und Schlaganfall bei jungen Erwachsenen ähnliche klinische Merkmale aufweisen, was das Potenzial für Fehldiagnosen erhöht und die Erforschung erschwert.

Fazit ist, dass nicht-traditionelle Risikofaktoren bei der Entstehung von Schlaganfällen sowohl bei jungen Männern als auch bei Frauen ebenso wichtig wie traditionelle Risikofaktoren sind. Bei Erwachsenen im Alter von 18 bis 34 Jahren wurden mehr Schlaganfälle mit nicht-traditionellen als mit traditionellen Risikofaktoren in Verbindung gebracht. Insgesamt sind nicht-traditionelle Risikofaktoren ebenso stark mit der Entwicklung von Schlaganfällen bei jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 44 Jahren verbunden wie traditionelle Risikofaktoren. Weitere Untersuchungen sind erforderlich, um besser zu verstehen, wie Migräne zum Schlaganfallrisiko junger Erwachsener beiträgt, und um Maßnahmen zur Primär- und Sekundärprävention bei Migränepatienten zu entwickeln.

Quelle: Leppert MH, Poisson SN, Scarbro S, Suresh K, Lisabeth LD, Putaala J, Schwamm LH, Daugherty SL, Bradley CJ, Burke JF, Ho PM. Association of Traditional and Nontraditional Risk Factors in the Development of Strokes Among Young Adults by Sex and Age Group: A Retrospective Case-Control Study. Circ Cardiovasc Qual Outcomes. 2024 Mar 26:e010307. doi: 10.1161/CIRCOUTCOMES.123.010307. Epub ahead of print. PMID: 38529631