Für die besonders schwer betroffenen Patienten mit chronischer Migräne und anderen schweren chronischen Schmerzen gibt es nur wenige wirksame Therapieoptionen. Standardtherapieverfahren sind in der Regel ohne nachhaltige Wirksamkeit. In neuester Zeit rücken nun Möglichkeiten der peripheren Nervenstimulation (PNS) als Behandlungsmöglichkeit in den Fokus. Die periphere Nervenstimulation ist eine spezielle Anwendung der Neuromodulation. Diese wird bereits seit mehreren Jahrzehnten zur Linderung von chronischen Schmerzen eingesetzt. Eine erfolgreiche Anwendung ist möglich bei Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Nackenschmerzen, Arm- und Beinschmerzen. Durch den zunehmenden Fortschritt der Mikroelektronik ist es möglich, ein schrittmacherähnliches Gerät unter die Haut zu implantieren und damit eine kontinuierliche Neuromodulation zu ermöglichen. Das Gerät hat etwa die Größe einer Streichholzschachtel.

Zur Behandlung der chronischen Migräne kann ein spezielles wieder aufladbares System implantiert werden, ein Batteriewechsel entfällt damit. Der Stimulator sendet elektrische Signale an den sich direkt unter der Nackenhaut befindlichen Occipitalis-Nerven (ON). Aufgrund dieser besonderen Lokalisation wird die Behandlungsmöglichkeit auch Occipitalis-Nervenstimulation (ONS) genannt. Die Wirkungsweise der Occipitalis-Nervenstimulation wird durch Veränderungen der elektrischen Regulation im Hirnstamm erklärt. Das Muster der Schmerzsignale wird durch die kontinuierliche Stimulation moduliert und überdeckt. Die ständige Überempfindlichkeit im Nervensystem wird ausgeglichen und reduziert. Die Funktion des Neurostimulator-Systems und die periphere Nervenstimulation sind mit denen des Herzschrittmachers zu vergleichen. Es wird angenommen, dass durch die Neuromodulation die körpereigene Schmerzabwehr aktiviert und stabilisiert wird und somit auf natürlichem Wege die Empfindlichkeit für Schmerzsignale reduziert werden kann. Nachfolgend werden die einzelnen Schritte der Implantation des Systems beschrieben.

Für die Entscheidung zur Neuromodulation muss der Patient in einem spezialisierten Migräne- und Kopfschmerzzentrumzentrum versorgt werden. Die spezialisierte Indikationsstellung und weitere fachgerechte Betreuung müssen gewährleistet sein. In unserem Zentrum hat sich in Zusammenarbeit mit den Kliniken für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein der nachfolgend beschriebene Ablauf bewährt.

Die Indikationsstellung  und Information über die Behandlungsmöglichkeiten erfolgen im Migräne- und Kopfschmerzzentrum der Schmerzklinik Kiel. Wir organisieren dann eine ambulante Vorstellung in der Klinik für Neurochirurgie zur Op- und Narkose-Planung. Aufgrund unseres bundesweiten Kopfschmerzbehandlungsnetzes kann die Versorgung ggf. auch in einem anderen kooperierenden und zertifizierten neurochirurgischen Zentrum erfolgen.

Die Implantation des Stimulators folgt zum geplanten Termin in der Regel nach folgendem zeitlichen Ablauf:

Tag 1: Aufnahme in der Neurochirurgie am Vorabend
Tag 2: Implantation am Vormittag
Tag 3: Ersteinstellung der Stimulationsparameter am Nachmittag
Tag 4: Entlassung am Vormittag

In der Regel erfolgt dann anschließend die Feinstellung des Stimulators in der Schmerzklinik Kiel:

Tag 1: Aufnahme nach Entlassung aus der Neurochirurgie
Tag 2: Kontrolle der Stimulationsparameter, Neueinstellung der Medikation
Tag 3: Entlassung

Die Implantation wird in der Regel entsprechend folgender Beschreibung durchgeführt:

Einleitung der Narkose, der Patient wird intubiert und gelagert. Während der Op liegt der Patient auf dem Bauch, der Kopf ist etwas leicht nach unten bzw. vorne gebeugt. Danach wird unter Röntgenkontrolle mit einem dünnen Stab von außen die genaue Position der Elektroden festgehalten und außen an der Haut markiert. Im Ohrbereich wird auf beiden Seiten von außen eine Markierung angebracht, damit man weiß, wo genau die Elektrode lokalisiert werden soll. Es erfolgt eine Rasur der Haare im Nackenbereich und eventuell eine Rasur am Rücken bei behaarten Männern. Anschließend wird eine Markierung der Hautstellen für die Lokalisation des Stimulators vorgenommen.

Nach Desinfektion und Abdeckung erfolgt die Haut-Eröffnung im Bereich des Occipitalis-Nerven durch einen Längsschnitt und Koagulation der kleinen Blutgefäße sowie die Eröffnung links und rechts der kleinen Taschen für die Kabel. Es schließt sich dann von außen die Vermessung der 8-poligen Elektroden an, die an ein Metallstäbchen gehalten werden. Dieses Stäbchen schiebt man nun auf der einen Seite direkt unter der Haut in Richtung Ohr, gemäß der vorher gesetzten Markierung. Zieht man es zurück, bleibt ein kleiner Plastikschlauch unter der Haut zurück. Durch diesen wird nun die erste Elektrode geschoben. Sitzt sie perfekt (den Ort hatte man vorher von außen schon markiert), zieht man den Plastikschlauch zurück und die Elektrode verbleibt am Ort. Auf der anderen Seite wird die zweite Elektrode ebenso platziert. Danach werden die Kabel mit der Faszie vernäht, damit diese nicht verrutschen können.

Im nächsten Schritt wird mit einem längeren dünnen Metallröhrchen der Weg vom Occipitalis-Nerven bis zum Ende des Rückens gebahnt, durch das dann die flexiblen Kabel durchgeführt werden. Zieht man das Metallröhrchen wieder zurück, verbleibt der kleine Plastikschlauch, durch den die Kabel geschoben werden. Sitzen sie perfekt, wird der Plastikschlauch zurückgezogen und nur noch die dünnen Kabel verbleiben unter der Haut.

Wir bevorzugen den Einsatz des Stimulators am unteren Rücken unterhalb der Gürtellinie. Über der Gürtellinie wird eine flexible Extension (Kabelverlängerung) eingebaut, damit die Kabel genug Spiel haben und nicht reißen oder brechen können. Die Kabel werden nun miteinander verbunden, die Kabelteile mit der Faszie vernäht, damit sie nicht verrutschen können, der Stimulator eingesetzt. Bevor die Hauttasche vernäht wird, prüft der Techniker alle einzelnen Werte sehr genau. Wenn alle Werte perfekt sind, werden die Wunden subkutan mit resorbierbarem Material verschlossen. Die Öffnung am Nacken wird außen ebenfalls mit resorbierbarem Material verschlossen, die beiden Öffnungen am Rücken werden, falls erforderlich, geklammert.

Es erfolgt anschließend eine Röntgenkontrolle, um die Position der Elektroden und des Stimulators zu überprüfen.

Der Patient wacht auf und wird aufs Zimmer gebracht. Am Nachmittag oder am nächsten Tag kommt der Techniker, erklärt dem Patienten die Handhabung genau und es erfolgt die erste Einstellung.

Die weitere Betreuung und die Feineinstellung des Stimulators erfolgen dann wieder durch das Migräne- und Kopfschmerzzentrum der Schmerzklinik Kiel. Nach Verlegung in unsere Klinik wird die Funktionsweise geprüft, das Stimulationsmuster individuell angepasst und eingestellt. Die Einstellung erfolgt von außen über einen kleinen Sender, der die  Werte an den Stimulator überträgt und steuern kann. Je nach Situation kann so ein optimiertes Muster für die Neuromodulation eingestellt werden. Auch der Patient erhält einen Sender, um das Gerät selbstständig zu steuern. Dazu werden verschiedene Einstellungen vorprogrammiert, die der Patient dann individuell abrufen kann. Schließlich erfolgt noch ein Überprüfung und ggf. Neueinstellung der Medikation. Anschließend kann der Patient nach Hause entlassen werden und kann sich dann zu weiteren Verlaufskontrollen vorstellen.