Eines der besonderen Charakteristika des Clusterkopfschmerzes ist das zeitlich gehäufte Auftreten von Attacken mit dazwischen liegenden Remissionsperioden. Aufgrund dieses zeitlich gebundenen Auftretens lag es nahe, veränderte zirkadiane bzw. zirkannuelle Rhythmen als Ursache für die Genese dieses Kopfschmerzleidens anzusehen. Solche veränderten chronobiologischen Aktivitäten könnten für die Störung des vaskulären und autonomen Gleichgewichtes verantwortlich sein. Auch die Beendigung der Clusterperiode könnte mit dieser pathophysiologischen Annahme in Einklang gebracht werden. Nach Abklingen der Desynchronisation der chronobiologischen Funktionen ist ein Äquilibrium wieder aufgebaut und die Remissionsphase beginnt.
Für diese Interpretation spricht, dass meist zu Beginn der aktiven Clusterperiode sich ein sehr rigides Zeitmuster der Clusterattacken beobachten lässt, während zum Ende einer aktiven Cluster-Phase ein unregelmäßiges Verhalten der Clusterattacken besteht. In diesem Zusammenhang ist auch von Interesse, dass von mehreren Autoren Einflüsse der Jahreszeit auf den Verlauf des Clusterkopfschmerzes beschrieben wurden. Es zeigen sich jahreszeitliche Häufungen von aktiven Clusterperioden in den Monaten März, April und Mai sowie in den Monaten September, Oktober und November. Individuell kann diese zeitliche Präferenz jedoch Schwankungen unterliegen. Auch der Sonnenstand wurde mit dem Auftreten von Clusterperioden in Verbindung gebracht. So konnte zum Beispiel in Nordamerika während des höchsten und während des niedrigsten Sonnenstandes ein erhöhtes Auftreten von Clusterperioden beobachtet werden. Auch in skandinavischen Ländern zeigt sich ein verstärktes Auftreten von Clusterperioden im Januar und im August, während im April und im November reduzierte Clusteraktivität zu verzeichnen ist. Allerdings ergibt sich auch hier eine individuelle Gebundenheit des zeitlichen Musters. Diese Gebundenheit kann durch externe chronobiologisch wirksame Triggeraktivitäten erklärt werden, wie zum Beispiel Umwelteinflüsse im Sinne von tageszeitlicher Aktivität, Stress, Arbeitsbelastung, psychosoziale Bedingungen usw.
Die besondere chronobiologische Aktivität von Clusterkopfschmerzattacken zeigt sich auch in dem bis heute nicht verstandenen Auftreten der Clusterattacken zu ganz bestimmten Zeiten. So zeigt das Auftreten mit dem Aufwachen nach einer Schlafphase im Abstand von zwei Stunden oder das immer wieder fixierte nächtliche Auftreten zu bestimmten Zeitpunkten die Bedeutung von chronobiologischen Veränderungen für die Genese des Clusterkopfschmerzes.
Aufgrund dieser Beobachtungen wurde versucht, die biologischen Grundlagen der chronobiologischen Veränderungen bei Clusterkopfschmerzpatienten aufzudecken. Aus chronobiologischen Untersuchungen ist bekannt, dass das
- Melatonin
für die Steuerung von zirkadianen Rhythmen von besonderer Bedeutung ist. Es zeigte sich jedoch bei Clusterkopfschmerzpatienten, die über mehrere Monate systematisch untersucht wurden, keine signifikante Veränderung der Melatonin-Konzentration zwischen den verschiedenen Monaten. Allerdings konnte im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen über den gesamten Beobachtungszeitraum von einem Jahr eine reduzierte mittlere Melatonin-Konzentration bei Clusterkopfschmerzpatienten aufgedeckt werden. Aber auch die zirkadiane Variation innerhalb der Gruppe der Patienten, die an Clusterkopfschmerz leiden, weist Veränderungen auf. So zeigt sich eine Erniedrigung des maximalen Anstieges während der Nacht zur Zeit einer aktiven Clusterperiode. Auch der Zeitpunkt des maximalen Anstieges der nächtlichen Melatonin-Konzentration kann entweder verfrüht oder aber verspätet sein. Prinzipiell könnte dieses Verhalten allein durch den schmerzinduzierten Stress erklärt werden. Allerdings sind sonstige Stressbedingungen nicht in der Lage, ähnliche Veränderungen im Melatonin-Haushalt zu bedingen.
Die Ursachen der veränderten Melatonin-Metabolisierung sind von besonderer Bedeutung, da sie möglicherweise der Schlüssel für die Genese des Clusterkopfschmerzes sein könnten. Das chronobiologische Verhalten der Melatonin-Konzentration wird durch einen endogenen Zeitgeber moduliert. Dieser endogene Zeitgeber kann durch innere und äußere Bedingungen beeinflusst werden. Dazu zählen insbesondere das Tageslicht und das Schlafverhalten. Melatonin wird aus dem Serotonin metabolisiert. Interessanterweise konnten für Serotonin veränderte Stoffwechselbedingungen im Jahresablauf festgestellt werden.
Auch für das Nor-Epinephrin sind zirkadiane Veränderungen bekannt. Insbesondere ist dabei von Bedeutung, dass das Nor-Epinephrin am Morgen maximale Konzentrationen aufweist. Gründe für diese erhöhte Konzentration am Morgen können die Lageabhängigkeit der Nor-Epinephrin-Spiegel nach dem Aufstehen und der Zusammenhang mit dem Schlaf sein. Darüber hinaus ist jedoch auch eine Veränderung durch primäre endogene Rhythmen bekannt.
Hormonelle Veränderungen
Hormone spielen in der zeitlichen Steuerung von Körperfunktionen eine herausragende Rolle. Dies wird insbesondere im Bereich der Reproduktionsfunktionen deutlich. Aus diesem Grunde wurden hormonelle Veränderungen auch im Zusammenhang mit dem zeitlichen Auftreten von Clusterattacken analysiert. So zeigte sich, dass die morgendlichen Gipfel in der Kortisol-Konzentration bei Clusterkopfschmerzpatienten zeitlich entweder verfrüht oder verspätet auftreten. Dieser Shift kann auch während einer Lithium-Behandlung gefunden werden. Die Kortisolproduktion ist im Tagesverlauf bei Clusterkopfschmerzpatienten erhöht. Dieses Verhalten zeigt sich nicht nur während der aktiven Clusterphase sondern auch während der Remissionsphase. Damit sind die Veränderungen des Kortisols nicht primär streßgebundene Besonderheiten, sondern wahrscheinlich primäre Veränderungen im Bereich der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse. Hinweise auf solche Störungen ergeben sich auch aus einer reduzierten Erhöhung von Kortisol und ACTH nach insulininduzierter Hypoglykämie während der Clusterattacke und während der Remissionsphase.
Auch bestehen Hinweise auf veränderte tageszeitliche Variationen des Prolaktinspiegels. So zeigen sich reduzierte Prolaktinspiegel im Tagesverlauf sowohl während der aktiven Clusterperiode als auch in der Remissionsphase. Bei Gabe des D2-Antagonisten Metoclopramid lässt sich bei Clusterkopfschmerzpatienten ein reduzierter Anstieg von Prolaktin nachweisen. Als mögliche Erklärung kann eine verminderte Sensibilität der laktotrophen Zellen in der Hypophyse vermutet werden. Ein ähnlich reduzierter Anstieg von Prolaktin lässt sich nach Gabe von Morphin beobachten. Im Zusammenhang mit den reduzierten Reaktionen des Kortisols und ACTH auf Insulinprovokation kann angenommen werden, dass bei Clusterkopfschmerzpatienten eine verminderte Reaktion auf verschiedenartigste externe oder interne Stressoren vorliegt.
Eine besondere Aufmerksamkeit hat die Analyse von möglichen Veränderungen im Bereich der Geschlechtshormone gefunden. In mehreren Studien wurden eine verminderte Konzentration von Testosteron, eine reduzierte Produktion im Tagesverlauf und Verschiebungen der maximalen Konzentration während des Tages beschrieben. Eine Erklärung für diese Veränderungen liegt bisher nicht vor, möglicherweise sind diese als Reaktion auf die erhöhten Plasma-Kortisolspiegel anzusehen. Ein regelrechtes Verhalten wurde für Progesteron und Oestrogenaktivität bei Clusterkopfschmerzpatienten beschrieben.
Bei Provokation mit dem Dopamin-Antagonisten Metoclopramid kann bei Clusterkopfschmerzpatienten ein ausgeprägter Anstieg des Wachstumshormons induziert werden. Bei Gabe von L-Dopa zeigt sich dieser Anstieg nicht. Bei anderen schmerzhaften Erkrankungen zeigt sich eine entsprechende Reaktion nicht, so dass diese exzessive Erhöhung des Wachstumshormons nach Metoclopramidgabe als spezifische Reaktion bei Clusterkopfschmerzpatienten interpretiert werden kann.
Immunsystem
Aufgrund des Zusammenhanges zwischen Stress, Schmerz und Immunsystem wurden auch immunologische Parameter bei Clusterkopfschmerzpatienten analysiert. Es zeigte sich, dass im Vergleich zur Remissionsphase während der Clusterperiode eine Erhöhung der Monozyten- und Reduktion der Lymphozytenanzahl zu beobachten ist. Aufgrund des möglichen Zusammenhanges zwischen Stressreaktionen und der aktiven Clusterphase wurden auch andere Schmerzerkrankungen auf immunologische Veränderungen hin analysiert. Wie zu erwarten, zeigte sich auch bei Patienten mit Rückenschmerzen, wie bei Patienten mit einer aktiven Clusterperiode, eine erhöhte Anzahl von Monozyten und eine reduzierte Anzahl von T-Lymphozyten sowie T-Helferzellen. Aufgrund dieses Verhaltens kann angenommen werden, dass es sich hier um sekundäre Parameter der schmerzinduzierten Stress-Situation handelt. Hinweise für veränderte Konzentrationen der zirkulierenden Immunkomplexe, der Immun-Globuline, der Antikardiolipin-Antikörper und auf ein verändertes Verhalten des Komplementsystems fanden sich bei Patienten mit Clusterkopfschmerzen nicht. Auch bestehen keine gesicherten Hinweise für ein verändertes Verhalten der Histokompatibilitäts–Antigene bei Clusterkopfschmerzpatienten.
Die Konzentration des lymphozytären b-Endorphins ist sowohl in der aktiven Clusterperiode als auch während der Remissionsphase deutlich reduziert. Dieser Hinweis auf eine Störung der endogenen Opioidsysteme, welche durch Serotonin, Dopamin und g-Aminobuttersäure moduliert werden, kann ebenfalls mit einer Läsion des Immunsystems in Verbindung gebracht werden, da Beta-Endorphin in den peripheren Blutlymphozyten aufgefunden werden kann.
Untersuchungen des Blutflusses
Veränderungen hämodynamischer Parameter lassen sich während einer akuten Clusterkopfschmerzattacke direkt beobachten. Es entstehen eine konjunktivale Injektion, eine Rötung der Haut und eine Nasenkongestion. Manche Patienten frösteln, andere zeigen Gesichtsschwitzen. Aus diesem Grunde sind hämodynamische Parameter bereits in früheren Untersuchungen ausführlich analysiert worden.
Während einer Clusterkopfschmerzattacke kann eine erhöhte okuläre Pulsation mit einem erhöhten okulären Blutfluss beobachtet werden. Diese Veränderungen finden sich in beiden Augen, sowohl auf der symptomatischen als auch auf der asymptomatischen Seite. Allerdings ist die Erhöhung des okulären Blutflusses auf der betroffenen Seite stärker. Diese Veränderungen können im Sinne einer okulären Vasodilatation interpretiert werden. In der attackenfreien Zeit in einer aktiven Clusterperiode zeigen sich jedoch ein erniedrigter okulärer Blutfluss und ein reduzierter intraokulärer Druck. Diese Veränderungen können in beiden Augen beobachtet werden und entweder durch eine Vasokonstriktion oder aber durch einen erhöhten vaskulären Widerstand erklärt werden.
Im Gegensatz zu den intraokulären Blutflussänderungen konnten bis heute keine Veränderungen des regionalen zerebralen Blutflusses sicher festgestellt werden. Bei Nutzung der Xenon133-Methode zur Untersuchung des regionalen zerebralen Blutflusses zeigt sich bei einem Teil der Patienten ein geringgradiger Anstieg, bei anderen ein geringgradiger Abfall und bei wieder anderen Patienten keine Veränderung. Auch mit Hilfe der SPECT-Methode konnten keine einheitlichen Veränderungen während spontaner oder während alkohol- bzw. nitroglyzerininduzierter Clusterattacken beobachtet werden.
Während durch obige Untersuchungen des regionalen zerebralen Blutflusses Aussagen über die Blutflussmenge erhalten werden, können durch den Einsatz der transkraniellen Doppler-Sonographie Informationen über die Blutflussgeschwindigkeit erhoben werden. Bei Einsatz solcher Untersuchungsverfahren fällt auf, dass sowohl während spontanen Schmerzattacken als auch während nitroglyzerininduzierten Clusterattacken eine beidseitige Reduktion der Flussgeschwindigkeit in der A. cerebri media beobachtet werden kann. Diese Reduktion der Blutflussgeschwindigkeit zeigt sich auf der betroffenen Seite verstärkt. Bei simultaner Bestimmung des regionalen zerebralen Blutflusses bei diesen Patienten konnte beobachtet werden, dass der mittlere zerebrale Blutfluss trotz der reduzierten Blutflussgeschwindigkeit nicht verändert ist.
Aus diesen Befunden kann geschlossen werden, dass während der Clusterattacke die A. cerebri media eine Vasodilatation aufweist, wobei die Vasodilatation auf der zur Clusterattacke ipsilateralen Seite verstärkt ist. Ähnlich wie bei der Analyse der intraokulären hämodynamischen Parameter, zeigt sich auch während der Clusterperiode außerhalb der Attacke eine Erhöhung der Blutflussgeschwindigkeit in der A. cerebri media. Dieser Befund kann durch eine Vasokonstriktion erklärt werden. Interessanterweise kann nachgewiesen werden, dass auch nach Gabe von Nitroglyzerin die Reduktion der Blutflussgeschwindigkeit in der A. cerebri media auf der betroffenen Seite stärker ausgeprägt ist als auf der nicht betroffenen Seite.
Als weiterer Hinweis für eine Veränderung der hämodynamischen Parameter konnte eine reduzierte Vasoreaktivität für CO2 in der A. cerebri anterior nachgewiesen werden. Diese reduzierte Vasoreaktivität findet sich jedoch nur auf der von der Clusterattacke betroffenen Seite. Die CO2-Reaktivität in den sonstigen Gefäßen ist nicht verändert. Während der Remissionsperiode zeigt sich zudem in allen Gefäßen eine regelrechte CO2-Reaktivität.
Insgesamt weisen die Untersuchungen hämodynamischer Parameter intra- und extrazerebraler Gefäße darauf hin, dass die Veränderungen des Blutflusses nicht eine primäre Quelle des Clusterkopfschmerzes darstellen, sondern vielmehr eine sekundäre Konsequenz der Kopfschmerzerkrankung sind.