Eine umfangreiche und sorgfältig geplante Langzeitstudie der Universität Bristol fügt weitere wissenschaftliche Erkenntnisse über die möglichen Langzeitnebenwirkungen der Einnahme von Paracetamol während der Schwangerschaft zu den bereits umfangreichen vorliegenden Studien hinzu. Die Studie wurde am 16.09.2019 in der wissenschaftlichen Zeitschrift Paediatric and Perinatal Epidemiology publiziert. Sie untersuchte, ob es eine Auswirkung der Paracetamol-Einnahme in der mittleren Schwangerschaft und dem Verhalten der Kinder im Alter zwischen 6 Monaten und 11 Jahren gibt. Paracetamol wird von mehr als der Hälfte der Schwangeren trotz weitgehend vernachlässigbarer Wirksamkeit bei Schmerzen eingenommen. Eine der Hauptgründe für die Einnahme, meist über Selbstmedikation, sind Migräne und Kopfschmerzen. Obwohl gerade bei starken und sehr starken Schmerzen eine Wirkung nicht belegt und zu erwarten ist und auch für dieses Anwendungsgebiet keine Zulassung besteht, wird Paracetamol trotz zahlreicher besorgniserregender Daten aus vielfältigen Studien traditionell weiterhin den Schwangeren empfohlen.

In der Studie wurden rund 14.000 Kinder untersucht. Im 7. Schwangerschaftsmonat nahmen rund 43% der Schwangeren Paracetamol zeitweise oder höherfrequent während der vorhergehenden drei Schwangerschaftsmonate ein. Die Forscher untersuchten den Effekt auf das Gedächtnis der Kinder, den Intelligenzquotient, Vorschul-Entwicklungstests sowie Temperament- und weitere Verhaltensparameter.

Das Ergebnis zeigte einen Zusammenhang zwischen der Paracetamol-Einnahme und Hyperaktivität sowie Aufmerksamkeitsproblemen. Ebenfalls zeigten sich Verhaltensauffälligkeiten, welche nicht in Verbindung mit der Einnahme der Medikation oder sozialen Faktoren standen. Dieser Zusammenhang konnte bis zum Ende der Grundschulzeit festgestellt werden. Jungen schienen dabei für entsprechende Auffälligkeiten mehr empfindlich zu sein als Mädchen. Die Studienleiterin, Prof. Jean Golding, kommentierte die Studie: „Unsere Ergebnisse fügen weitere besorgniserregende Befunde zu einer Serie von Studien hinzu, die mögliche Nebenwirkungen der Paracetamol-Einnahme während der Schwangerschaft wie Asthma oder Verhaltensauffälligkeiten der Nachkömmlinge zeigen. Sie bestärken den Ratschlag, dass Frauen vorsichtig sein sollten, wenn sie während der Schwangerschaft Medikamente einnehmen. Sie sollten medizinischen Rat einholen.“

Über zahlreiche frühere Studien dazu wird bereits seit mehreren Jahren berichtet. Auch diese Studie ist besorgniserregend bezüglich der möglichen Langzeitnebenwirkungen von Paracetamol auf das spätere Leben der Kinder. Weitere Einzelheiten und auch mögliche Behandlungsoptionen für die Vorbeugung und Behandlung von Migräne und Kopfschmerzen während der Schwangerschaft finden sich hier:

Paracetamol in der Schwangerschaft – Zeit, umzudenken

Die Studie

Associations between paracetamol (acetaminophen) intake between 18 and 32 weeks gestation: a longitundinal cohort studyby Jean Golding, Steven Gregory, Rosie Clark et al published in Paediatric and Perinatal Epidemiology 

Weitere Infos:

  1. Die Avon Longitudinal Study of Parents and Children (ALSPAC) ist eine Langzeitstudie, die mehr als 14.000 Schwangere zwischen 1991 und 1992 und deren geborenen Kinder untersucht. Detailiert werden die Gesundheit der Eltern, deren Kinder und Enkelkinder im Detail nachverfolgt.
  2. Zwei weitere große europäische Studien haben mit ähnlicher Methodik den Effekt von Paracetamol während der Schwangerschaft auf das Verhalten der Kinder analysiert. Dabei wurden zahlreiche beeinflußende Variablen berücksichtigt.
  3. Die Norwegian mother and child cohort study MoBA zeigte ein erhöhtes Risiko für ADHS bei Einnahme von Paracetamol während der Schangerschaft über acht Tage
  4. Eine Studie der University of California unter Nutzung der Danish National Birth Cohort fand ebenfalls Entwicklungs- und Verhaltensauffälligkeiten mit ADHS bei Paracetamoleinnahme in der SchwangerschaftFokus
  5. Fokus: Neue Studie zeigt, wie schädlich Paracetamol in der Schwangerschaft wirklich ist
  6. Der Spiegel: Wie gefährlich sind Ibuprofen und Paracetamol für das Kind im Mutterleib?