Leichte Migräneattacken sollten in der Schwangerschaft möglichst nichtmedikamentös durch Reizabschirmung, Ruhe, Entspannung und Eispackungen behandelt werden.
Auch außerhalb der Mutterschutzfristen vor und nach der Geburt verpflichtet das Mutterschutzgesetz Unternehmen, Schwangere und stillende Mütter zu schützen und eine individuelle Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen. Sind adäquate Schutzmaßnahmen nicht möglich, müssen sie den Arbeitnehmerinnen betriebsbedingte Beschäftigungsverbote aussprechen.

Bei hoher Attackenfrequenz und schweren Attacken kann nach §16 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) ein individuelles Beschäftigungsverbot ärztlich ausgesprochen werden. Das erforderliche ärztliche Attest können alle zugelassenen Ärzte ausstellen, vom Gynäkologen bis zum Neurologen. Für ein individuelles Beschäftigungsverbot können die Gründe mannigfaltig sein. Diese schließen z.B. starke Dauerschmerzen, hohe Attackenfrequenz und starke Übelkeit ein. Auch physische und psychische Belastungen durch starken Lärm, erheblichen Druck oder Stress können bei der Beurteilung eine Rolle spielen.  Die Entscheidung, ob ein Beschäftigungsverbot medizinisch erforderlich ist, trifft der behandelnde Arzt individuell aufgrund der medizinischen Gegebenheiten.

Frauen, die während der Schwangerschaft unter schwerer Übelkeit und Erbrechen leiden, haben eine schlechte Lebensqualität und ein erhöhtes Risiko für mütterliche und fötale Komplikationen. Bei Übelkeit und Erbrechen kann Metoclopramid während der gesamten Schwangerschaft verwendet werden. Bei schwerer Übelkeit und Unwirksamkeit von Metoclopramid kann Ondansetron unter strenger Indikationsstellung während des zweiten und dritten Schwangerschaftsdrittels der Schwangerschaft eingesetzt werden. (1).

Bei dringender medizinischer Notwendigkeit können Migräneattacken im 1. und 2. Schwangerschaftsdrittel mit Acetylsalicylsäure, Ibuprofen oder Metamizol behandelt werden (2). Diese Substanzen sollten im 3. Schwangerschaftsdrittel vermieden werden. In einer umfangreichen Studie wurden Zusammenhänge zwischen der in-utero-Exposition gegenüber fünf rezeptfreien Analgetika (Paracetamol, Ibuprofen, Aspirin, Diclofenac, Naproxen) und negativen Auswirkungen auf das Neugeborene untersucht. Die Einnahme von rezeptfreien Schmerzmitteln während der Schwangerschaft war mit einem wesentlich höheren Risiko für nachteilige perinatale Gesundheitsfolgen bei den Kindern verbunden. Die Einnahme von Paracetamol in Kombination mit anderen nicht-steroidalen entzündungshemmenden Medikamenten war mit dem höchsten Risiko assoziiert (3). Neue Erkenntnisse deuten darauf hin, dass eine intrauterine Paracetamol-Exposition mit urogenitalen/reproduktiven Störungen bei den Nachkommen in Verbindung gebracht werden kann (4, 5). Studien deuten auf einen möglichen Zusammenhang zwischen pränataler Paracetamol-Exposition und einem erhöhten Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen, Atopie und Reproduktionsstörungen hin (6). Paracetamol ist nicht für schwere Schmerzen zugelassen (off-Label), eine Wirksamkeit ist bei schweren Migräneattacken auch in der Schwangerschaft nicht zu erwarten. Es sollte in der Schwangerschaft nur erwogen werden, wenn dringliche Behandlungsbedürftigkeit besteht und keine anderen Optionen zur Verfügung stehen. Schwangere Frauen sollten zu Beginn der Schwangerschaft vor den Risiken gewarnt werden. Sie sollten auf Paracetamol verzichten, es sei denn, seine Verwendung ist medizinisch dringlich indiziert. Die Behandlung sollte in der niedrigsten Dosis so kurz wie möglich und nicht in Kombination mit anderen Arzneimitteln erfolgen. Die Schwangeren sollten einen Arzt konsultieren und keine Selbstmedikation mit Paracetamol durchführen (5).

In Ausnahmefällen können Einzeldosen von Metamizol während des ersten und zweiten Schwangerschaftsdrittels bei schweren Schmerzen vertretbar sein, wenn keine anderen Behandlungsoptionen bestehen (7). Eine Einnahme während des dritten Schwangerschaftsdrittels kann mit fetotoxischen Effekten einher gehen (Einschränkung der Nierenfunktion, Konstriktion des Ductus arteriosus), weshalb die Anwendung von Metamizol im dritten Schwangerschaftsdrittel kontraindiziert ist (8-10).

Bislang gibt es keine epidemiologischen Hinweise, dass Triptane zu Fehlbildungen oder anderen Komplikationen in der Schwangerschaft führen (11, 12). Für Sumatriptan liegen die Ergebnisse mehrerer Schwangerschaftsregister vor, die keine erhöhe Komplikationsraten währen der Schwangerschaft oder ein erhöhtes Risiko für Missbildungen berichten (12-15). Ähnliche Ergebnisse zeigen auch die Register für Naratriptan (14, 16) und Rizatriptan (17). Auch für die weitere motorische und emotionale kindliche Entwicklung bis zum 3. Lebensjahr konnten keine ungünstigen Effekte der Triptane beobachtet werden (18). Die umfangreichsten Erfahrungen liegen für Sumatriptan vor. Sumatriptan (oral, nasal, s.c.) kann daher als Mittel der Wahl bei schweren Migräneattacken in der Schwangerschaft eingesetzt werden. Bei Unwirksamkeit und dringlicher Behandlungsnotwendigkeit können auch andere Triptane verwendet werden.

Ergotamine sind in der Schwangerschaft kontraindiziert. Dies gilt auch für Gepante und Lasmiditan.

Wie kann Migräne in der Stillzeit behandelt werden?

In der Stillzeit kehrt die Migräne häufig zu ihrem früheren Muster bzgl. Häufigkeit und Schwere zurück. Wenn immer möglich sollten leichte Migräneattacken während der Stillzeit nichtmedikamentös durch Reizabschirmung, Ruhe, Entspannung und Eispackungen behandelt werden.
Metoclopramid, Dimenhydrinat und Ondansetron werden während der Stillzeit nicht empfohlen, die Substanzen werden in die Muttermilch ausgeschieden und können Nebenwirkungen beim Säugling bedingen.

Wirkstoff und Abbauprodukte von Acetylsalicylsäure und Ibuprofen gehen nur in geringen Mengen in die Muttermilch über. Bei kurzfristiger Anwendung ist eine Unterbrechung des Stillens in der Regel nicht erforderlich. Eine Unterbrechung des Stillens ist bei längerer Anwendung bzw. Einnahme in höherer Dosis erforderlich. Paracetamol kann in der Stillzeit in therapeutischen Dosen verabreicht werde, es sollte aber aufgrund der geringen Wirksamkeit nur eingesetzt werden, wenn andere Optionen nicht verfügbar sind.

Die Arzneimittelexposition durch das Stillen des Säuglings durch von der Mutter eingenommene Triptane scheint gering zu sein und deutet darauf hin, dass die Anwendung der Triptane mit dem Stillen vereinbar ist (19). Die Anwendung von Sumatriptan ist mit dem Stillen möglich, ohne dass ein Abpumpen erforderlich ist. Die Exposition des Säuglings ist mit 0,5 % der mütterlichen Dosis sehr gering. Bisher wurden keine unerwünschten Wirkungen auf den gestillten Säugling berichtet (20). Für Eletriptan wurde eine Dosis in der Muttermilch nach 24 Stunden von nur 0,002 % beschrieben, dieser Wirkstoff kann daher theoretisch als noch sicherer angesehen werden (21).

Für die anderen Triptane gibt es keine eindeutigen kontrollierten Nachweise. Als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme kann empfohlen werden, die Muttermilch vor Einnahme abzupumpen, um damit den Säugling zu stillen. 24 Stunden nach der Anwendung sollte nicht gestillt und die Milch verworfen werden (22).

 

Literatur

  1. Erdal H, Holst L, Heitmann K, Trovik J. Antiemetic treatment of hyperemesis gravidarum in 1,064 Norwegian women and the impact of European warning on metoclopramide: a retrospective cohort study 2002-2019. BMC Pregnancy Childbirth. 2022;22(1):464.
  2. Saldanha IJ, Cao W, Bhuma MR, Konnyu KJ, Adam GP, Mehta S, et al. Management of primary headaches during pregnancy, postpartum, and breastfeeding: A systematic review. Headache. 2021;61(1):11-43.
  3. Zafeiri A, Raja EA, Mitchell RT, Hay DC, Bhattacharya S, Fowler PA. Maternal over-the-counter analgesics use during pregnancy and adverse perinatal outcomes: cohort study of 151 141 singleton pregnancies. BMJ Open. 2022;12(5):e048092.
  4. Tadokoro-Cuccaro R, Fisher BG, Thankamony A, Ong KK, Hughes IA. Maternal Paracetamol Intake During Pregnancy-Impacts on Offspring Reproductive Development. Front Toxicol. 2022;4:884704.
  5. Bauer AZ, Swan SH, Kriebel D, Liew Z, Taylor HS, Bornehag CG, et al. Paracetamol use during pregnancy – a call for precautionary action. Nat Rev Endocrinol. 2021;17(12):757-66.
  6. Patel R, Sushko K, van den Anker J, Samiee-Zafarghandy S. Long-Term Safety of Prenatal and Neonatal Exposure to Paracetamol: A Systematic Review. Int J Environ Res Public Health. 2022;19(4).
  7. Bar-Oz B, Clementi M, Di Giantonio E, Greenberg R, Beer M, Merlob P, et al. Metamizol (dipyrone, optalgin) in pregnancy, is it safe? A prospective comparative study. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol. 2005;119(2):176-9.
  8. Schiessl B, Schneider KT, Zimmermann A, Kainer F, Friese K, Oberhoffer R. Prenatal constriction of the fetal ductus arteriosus–related to maternal pain medication? Z Geburtshilfe Neonatol. 2005;209(2):65-8.
  9. Weintraub A, Mankuta D. Dipyrone-induced oligohydramnios and ductus arteriosus restriction. Isr Med Assoc J. 2006;8(10):722-3.
  10. Sanchez de la Nieta MD, Rivera F, De la Torre M, Alcazar R, Caparros G, Paz Alcaide M, et al. Acute renal failure and oligohydramnios induced by magnesium dypirone (metamizol) in a pregnant woman. Nephrol Dial Transplant. 2003;18(8):1679-80.
  11. Amundsen S, Nordeng H, Nezvalova-Henriksen K, Stovner LJ, Spigset O. Pharmacological treatment of migraine during pregnancy and breastfeeding. Nat Rev Neurol. 2015;11(4):209-19.
  12. Marchenko A, Etwel F, Olutunfese O, Nickel C, Koren G, Nulman I. Pregnancy outcome following prenatal exposure to triptan medications: a meta-analysis. Headache. 2015;55(4):490-501.
  13. Nezvalova-Henriksen K, Spigset O, Nordeng H. Triptan exposure during pregnancy and the risk of major congenital malformations and adverse pregnancy outcomes: results from the Norwegian Mother and Child Cohort Study. Headache. 2010;50(4):563-75.
  14. Cunnington M, Ephross S, Churchill P. The safety of sumatriptan and naratriptan in pregnancy: what have we learned? Headache. 2009;49(10):1414-22.
  15. Loder E. Safety of sumatriptan in pregnancy: a review of the data so far. CNS Drugs. 2003;17(1):1-7.
  16. Evans EW, Lorber KC. Use of 5-HT1 agonists in pregnancy. Ann Pharmacother. 2008;42(4):543-9.
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  18. Wood ME, Frazier JA, Nordeng HM, Lapane KL. Prenatal triptan exposure and parent-reported early childhood neurodevelopmental outcomes: an application of propensity score calibration to adjust for unmeasured confounding by migraine severity. Pharmacoepidemiol Drug Saf. 2016;25(5):493-502.
  19. Amundsen S, Nordeng H, Fuskevag OM, Nordmo E, Sager G, Spigset O. Transfer of triptans into human breast milk and estimation of infant drug exposure through breastfeeding. Basic Clin Pharmacol Toxicol. 2021;128(6):795-804.
  20. Soldin OP, Dahlin J, O’Mara DM. Triptans in pregnancy. Ther Drug Monit. 2008;30(1):5-9.
  21. David PS, Kling JM, Starling AJ. Migraine in pregnancy and lactation. Curr Neurol Neurosci Rep. 2014;14(4):439.
  22. Bendtsen L, Birk S, Kasch H, Aegidius K, Sorensen PS, Thomsen LL, et al. Reference programme: diagnosis and treatment of headache disorders and facial pain. Danish Headache Society, 2nd Edition, 2012. The journal of headache and pain. 2012;13 Suppl 1:S1-29.

Autor: Prof. Dr. Hartmut Göbel