Käßmann plädiert für einen menschlichen Umgang mit dem Schmerz und der Endlichkeit
Frankfurt, 20. März 2014 – „Schmerz und Tod in Luthers Weltbild und was wir daraus lernen können“ war das Thema der Special Lecture von Prof. Dr. Dr. h.c. Margot Käßmann, der Botschafterin des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für das Reformationsjubiläum 2017, im Rahmen des 25. Deutschen Schmerz- und Palliativtages in Frankfurt am Main.
„Schmerzen“, so die Theologin, „spielen in Luthers reformatorischer Sicht nicht mehr die Rolle einer ‚Strafe Gottes’, sie zu ertragen ist kein Zeichen der Gottesfurcht.“ Und so beschreibe der Reformator in zahlreichen Briefen eigene Schmerzen und suche mit allen Möglichkeiten Linderung. Damit, schreibt Käßmann Patienten und Ärzten ins Stammbuch, entziehen sich Schmerzen jeder theologischen und moralischen Interpretation, auch wenn sie untrennbar zu menschlicher Existenz gehören.
Völlig anders als heute war zu Luthers Zeiten der Tod im täglichen Leben präsent, nicht nur in der die ganze Lebensführung bestimmenden vorreformatorischen Angst vor dem drohenden Fegefeuer, sondern vor allem durch das unmittelbare Erleben von Sterben und Tod in Familie und Nachbarschaft.
Heute hätten zwar schon 14jährige Jugendliche in Computerspielen und Fernsehen durchschnittlich bereits mehr als 10.000 Tote gesehen, das wirkliche Sterben und der Tod seien allerdings aus unserer Wahrnehmung verschwunden und damit auch die Möglichkeit, bewusst mit dem Lebensende umzugehen. „Holt Sterben und Tod wieder als Teil des Lebens in unsere Gesellschaft“ appellierte Käßmann an die Zuhörer „damit Menschen Lebenszeit wieder als wertvoll erfahren“. Bei jährlich 860.000 Todesfällen in der Bundesrepublik Deutschland kommt das Sterben für die meisten Menschen völlig überraschend. Sterben lasse sich aber nicht in einen straffen Terminplan eintakten, es erfordere Zeit und Raum zur Begleitung und Trauer wie auch Rituale, die uns einen verlässlichen Rahmen zum Verabschieden geben. „Reden Sie als Ärzte mit ihren Patienten – unabhängig vom Alter – über den Tod, nicht nur um es den Hinterbliebenen einfacher zu machen, sondern auch um die Lebenszeit bis zum Ende bewusst und wertvoll zu gestalten.“ Ein Gespräch über die Patientenverfügung könne hierfür ein guter Einstieg sein. „Hier können wir von Luthers unverkrampftem Umgang mit dem Sterben und Tod auch für unsere heutige Zeit viel lernen,“ so Käßmann.
Der Deutsche Schmerz- und Palliativtag dauert noch bis zum 22. März. Mitveranstalter sind die Patientenorganisation Deutsche Schmerzliga, die Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Palliativversorgung und das Institut für Qualitätssicherung in Schmerztherapie und Palliativmedizin.
Weitere Informationen unter www.schmerz-und-palliativtag.de
Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS)
Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) ist mit mehr als 4.000 Mitgliedern die größte europäische Fachgesellschaft, die sich für ein besseres Verständnis und für bessere Diagnostik und Therapie des chronischen Schmerzes einsetzt. Sie ist bundesweit in mehr als 120 regionalen Schmerzzentren organisiert, in denen interdisziplinäre Schmerzkonferenzen veranstaltet werden. Oberstes Ziel der DGS ist die Verbesserung der Versorgung von Menschen mit chronischen Schmerzen. Dies kann nur durch die Etablierung der Algesiologie in der Medizin erreicht werden. Dazu gehört die Qualitätssicherung in der Schmerzmedizin durch die Etablierung von Therapiestandards sowie die Verbesserung der Aus-, Fort- und Weiterbildung auf den Gebieten der Schmerzdiagnostik und Schmerztherapie für Ärzte aller Fachrichtungen. Die DGS gibt den Schmerztherapieführer heraus, in dem alle Mitglieder aufgelistet sind. Gemeinsam mit der Deutschen Schmerzliga e.V. organisiert die DGS den jährlich stattfindenden Deutschen Schmerz- und Palliativtag in Frankfurt/Main.
Hinterlasse einen Kommentar