NDR Visite – Abenteuer Diagnose berichtet über eine Patientin mit einer jahrelangen unklaren und komplexen neurologischen Symptomatik mit Kopfschmerzen. Unter den 47 verschiedenen Migräneunterformen ist die Migräne mit Hirnstammaura oft schwierig von anderen Erkrankungen abzugrenzen. Es können sog. Hirnstammsymptome wie Schwindel (Vertigo), Hörgeräusche (Tinnitus), beidseitige sensorische und motorische Störungen sowie Unfähigkeit zu sprechen (Dysarthrie), zu schlucken (Dysphagie) und Doppelbilder (Diplopie) auftreten. Entsprechende Symptome sind teilweise schwierig von transienten ischämischen Attacken (TIA) oder dem Schlaganfall abzugrenzen.
Im Alltag nicht leicht zu erkennen sind Hirnstammsymptome wie Schwindel, Tinnitus, bilaterale sensorische und motorische Störungen sowie Dysarthrie, Dysphagie und Diplopie. Entsprechende Symptome sind bei der Migräne mit Hirnstammaura festzustellen, und diese Form ist teilweise schwierig von transienten ischämischen Attacken (TIA) abzugrenzen. Allerdings hilft bei der Differenzierung, dass die Patienten mit Migräne mit Hirnstammaura in aller Regel sich in der zweiten und dritten Lebensdekade befinden, Gefäßrisikofaktoren fehlen, der Kopfschmerz bei der Migräne mit Hirnstammaura stark ausgeprägt ist und der Kopfschmerz die neurologische Symptomatik zeitlich lange überdauert.
Ist das Versorgungsgebiet der A. basilaris betroffen, können bilateral motorische Störungen auftreten. Zusätzlich können Sehstörungen sowohl in den temporalen als auch in den basalen Gesichtsfeldern beider Augen vorhanden sein, weiterhin Dysarthrie, Schwindel, Hörgeräusche, Hörverlust, Doppelbilder, Ataxie, beidseitige sensorische Störungen in Form von Parästhesien, Bewusstseinsverlust bis hin zum Koma. In Einzelfällen wurden auch weitere Symptome beschrieben, wie z.B. Kleinhirnstörungen, Tremor, Nystagmus, retinale Degeneration, Taubheit und Ataxie.
Neben der visuellen Aura findet sich in der Kindheit auch die Migräne mit Hirnstammaura als häufige Ausdrucksweise der Migräneaura. Bei den Kindern treten neurologische Störungen in Form von beidseitigen Gesichtsfeldstörungen, Tonusverlust, Nystagmus, Doppelbildern, Dysarthrie und Bewusstseinsstörungen auf. Die Attacken treten zwar in der Regel mit großen zeitlichen Intervallen auf, können jedoch 24 bis 72 Stunden andauern. Gerade bei solchen neurologischen Begleitstörungen ist im Kindesalter eine sorgfältige Untersuchung durch einen Neurologen erforderlich.
Besonders stehen dabei differenzialdiagnostisch im Vordergrund: ein Tumor in der hinteren Schädelgrube, Medikamentennebenwirkungen (z.B. Antiemetika), mitochondriale Störungen und metabolische Erkrankungen.
Einzelheiten zur Abgrenzung von Migräne und transienten ischämischen Attacken (TIA) finden sich hier:
Für die Migräne mit Hirnstammaura gelten folgende diagnostische Kriterien:
Früher verwendete Begriffe
Basilarisarterienmigräne; Basilarismigräne; Migräne vom Basilaristyp.
Beschreibung:
Eine Migräne, bei der die Aurasymptome eindeutig dem Hirnstamm zuzuordnen sind und keine motorische Schwäche vorhanden ist.
Diagnostische Kriterien:
- Attacken, die die Kriterien für eine 1.2 Migräne mit Aura und Kriterium B unten erfüllen
- Aura, bei denen beide untenstehenden Punkte erfüllt sind:
- Mindestens 2 der folgenden vollständig reversiblen Hirnstammsymptome:
- Dysarthrie1
- Schwindel2
- Tinnitus
- Hörminderung3
- Doppelbilder4
- Ataxie, die nicht auf ein sensibles Defizit zurückzuführen ist
- Bewusstseinsstörung (GCS ≤13)5
- Keine motorischen6 oder retinalen Symptome.
- Mindestens 2 der folgenden vollständig reversiblen Hirnstammsymptome:
Anmerkung:
- Es sollte die Abgrenzung einer Dysarthrie von einer Aphasie erfolgen.
- Schwindel beinhaltet keine Benommenheit und ist von dieser abzugrenzen.
- Dieses Kriterium ist nicht erfüllt, wenn Patienten von einem „Völlegefühl“ im Ohr berichten.
- Diplopie umfasst kein Verschwommensehen (oder schließt dieses aus).
- Eine Abschätzung der Bewusstseinsstörung nach der Glasgow Coma Scale (GCS) mag bereits bei Aufnahme erfolgt sein; alternativ erlauben eindeutig vom Patienten geschilderte Defizite eine GCS-Einstufung.
- Bei Vorliegen motorischer Symptome wird die Erkrankung unter 1.2.3 hemiplegische Migräne kodiert.
Kommentar:
Ursprünglich wurden die Begriffe Basilarisarterienmigräne oder Basilarismigräne verwendet, da aber eine Beteiligung der Basilarisarterie unwahrscheinlich ist, sollte der Begriff Migräne mit Hirnstammaura bevorzugt werden.
Während der meisten Attacken kommt es zusätzlich zu den Hirnstammsymptomen zu typischen Aurasymptomen. Viele Patienten, die Attacken mit Hirnstammaura haben, berichten auch von anderweitigen Attacken mit typischer Aura. Hier sollte sowohl unter 1.2.1 Migräne mit typischer Aura als auch 1.2.2 Migräne mit Hirnstammaura kodiert werden.
Viele der unter Kriterium B1 aufgelisteten Symptome können fehlinterpretiert werden, da sie auch in Verbindung mit Angst und Hyperventilation auftreten können.
Die genetische Prädisposition mit spezifischen Risikofaktoren erhöht die individuelle zeitliche Bereitschaft, mit Migräneattacken zu reagieren. Der Anfall selbst ist durch eine episodische Fehlfunktion des Hirnstamms im Bereich der trigeminothalamischen Projektionen charakterisiert. Der trigeminozervikale Komplex wird aktiviert und moduliert den nozizeptiven Input aus den extrazerebralen intrakraniellen Gefäße und der Dura mater. Muskuläre Hyperpathie und Allodynie sowie zentrale Sensitivierung entstehen mittels Projektionen der oberen Zervikalnerven (C1, C2) in den spinalen Trigeminuskern. Durch Freisetzung von neuroinflammatorischen Neuropeptiden und Aktivierung von Neurotransmittern im Bereich der extrazerebralen intrakranialen Gefäße und der Dura mater entsteht eine vaskuläre Hyperpathie und Allodynie mit Entstehung der Migränekopfschmerzphase. Durch Hemmung der inflammatorischen Neuropeptide können akute Interventionen während der Migräneattacke die Symptome therapeutisch modulieren. Vorbeugende Behandlungsmaßnahmen zielen auf die Reduktion der Sensitivierung im trigeminozervikalen Komplex sowie auf die Aktivierung deszendierender kortikaler Schmerzkontrollmechanismen.
Beeindruckender und sehr bewegender Fernsehbeitrag im NDR. Gott sei Dank gibt es die Schmerzklinik Kiel.
Das versteht einer wer will, ich nicht.
Piepser
Ich habe sicher keine Hirnstammaura, aber haber mich oft gefragt, ob die Schmerzen im Hinterkopfbereich – meistens mit Schwindel und Übelkeit- auch Migräne sind. Migräneanfällte in jeglicher Intensität und Häufigkeit habe ich bereits seit meiner Pubertät, inzwischen fast 60 Jahre lang.
Jetzt bin ich fast sicher, dass es so ist und neuerdings die Hirnstammnerven und nicht nur der Trigeminus betroffen ist.
Eine Zeitlang habe ich geglaubt, dass es vielleicht von der Spondylarthrose im letzten Halswirbelgelenk kommt.
Mein Neurololge meinte, wenn die Triptnae helfen, wäre es Migräne. Also habe ich es mit Triptanen versucht, die auch wirken.
Inzwischen bekomme ich die Spritzen Ajovy und hoffe auf vorbeugende Wirkung ( erst seit zwei Monaten ).
Mit freundlichen Grüßen
Anna Schmitz