von Pia Ersfeld
Meine Mutter ruft an. Ich habe Migräne. Schlechte Kombination. Wir reden dennoch. Heißt: Sie redet. Aber egal. Ihre Friseurin hat nämlich eine Freundin, deren Schwägerin auch Migräne hat. Und die Schwägerin von der Freundin der Friseurin meiner Mutter hat sie mit einer Apfel-Diät wegbekommen (die Migräne, nicht die Friseurin). Ob ich das nicht auch mal ausprobieren sollte, statt der vielen Medikamente? Ich liebe diesen Unterton. Und ungebetene Therapievorschläge.

Fast täglich erzählt mir jemand von der Schmerztherapie. Schlangengift wurde mir schon vorgeschlagen – dann bin ich zwar tot, aber es tut auch nichts mehr weh. Chakra betanzen – wo auch immer. Oder Mantrasingen. Machen Sie das mal in einer Mietwohnung! Dann wird man gleich eingewiesen.

Was soll das denn bringen?

Heute also Apfel-Diät. Klingt appetitlicher als die Mayrsche Migränekur mit den trockenen Brötchen. Apfelkuchen, Apfelmus, Apfelsaft. Lecker! Die Funktionsweise erschließt sich mir allerdings nicht. Folgt daraus nicht eine gepflegte Diarrhö? Vermutlich soll die Migräne durch den Sog des angeschlagenen Darms in der Kanalisation verschwinden.

“Mutter, ich hatte eine Hirntumoroperation. Das ist keine normale Migräne bei mir.” “Ach Kind”, sagt Mutter. Mit meinem zweitliebsten Unterton. “Ich besorge dir mal das Buch dazu.”

Ich atme tief ein und langsam wieder aus. Sie möchte ja nur mein Bestes.

Zur Gründung einer Bibliothek für Schmerztherapie fehlt mir langsam nichts mehr, ehrlich.

Wenn man ständig Kopfschmerzen hat, lernt man: Glück ist die Abwesenheit von Schmerz. Und von gutgemeinten Vorträgen.

Gute Ratschläge allerorten

“Kopp?”, brüllte mir eine Dame zwei Tage später entgegen, als ich mit gequältem Gesicht in der Straßenbahn saß. Ihr Hörgerät lümmelte sich wohl auf dem heimischen Sofa. Ich nickte. “Uuuh,”, sie warf die Hände in die Luft. “Daaa kannichn Lied von sinng.” Bitte nicht, dachte ich. “Also ich kann dann nix lautet vertraagn.” Ich auch nicht.

Sie beugte sich vor und erhöhte um 30 Dezibel. “Heilsteine, sach ich Ihnn.” Meine Restmimik reagierte skeptisch. “Sie kuckn so, aber datt wirkt! Tun se einfach zwei inne Karaffe. Könnse immer aufgießen.” Wie ich mich kenne, trinke ich die mit. Dann habe ich noch ein Problem mehr: Blasensteine oder sowas.

Was steht eigentlich auf meiner Stirn, wenn ich Migräne habe? “Bitte geben Sie mir den Rest, indem Sie mir jetzt und hier en détail Ihre Schmerzerfahrungen schildern. Lassen Sie nichts aus! Zitieren Sie ergänzend Artikel aus ‘Frau ohne Herz’. In voller Länge – bitte samt der Treppenlift-Werbung.”

Vielleicht sollte ich mir Folgendes auf die Stirn tätowieren lassen: “Ich danke herzlich für jeden Tipp – den Sie mir verschweigen.”

Mit freundlicher Erlaubnis von Pia Ersfeld

Weitere wunderbare Erlebnisse auf ihrem Blog “Frau E. notiert..”