Clusterkopfschmerz hat seinen Namen deshalb, weil er in abgegrenzten Zeitspannen gehäuft, in sogenannten Clustern (engl. Cluster: Haufen), auftritt. Die Zeitspannen der Clusterperioden können mehrere Wochen, mehrere Monaten bis Jahre betragen. Während dieser aktiven Clusterperioden treten zeitlich gehäuft sehr schwere Kopfschmerzattacken auf. Die Dauer der Kopfschmerzen beträgt in der Regel 30 Minuten bis zu 3 Stunden. Am Tag können bis zu acht Clusterattacken auftreten. Während der aktiven Periode über Wochen oder Monate, können also Tag für Tag solche schweren Kopfschmerzen auftreten.
Wir erleben immer wieder in unserer Arbeit, dass Patienten gerade mit Clusterkopfschmerzen sich in ihrer Not allen möglichen operativen Maßnahmen unterziehen. Dazu zählen z.B. wiederholte radikale Kieferhöhlenoperationen, Nasenscheidewandkorrekturen oder Operationen im Bereich der Halswirbelsäule. Es gehört zum Lehrbuchwissen, dass Patienten mit Clusterkopfschmerzen sehr häufig sich erst sämtliche Zähne ziehen lassen, bevor sie die spezielle Diagnose und den typischen Verlauf von Clusterkopfschmerzen eröffnet bekommen. Problematisch ist dabei, dass viele Patienten durch ein angebliches Verständnis zwischen möglicher angenommener Ursache und den Kopfschmerzen von wissenschaftlich evaluierten Therapieverfahren abgehalten werden und eine entsprechende Behandlung nicht konsequent durchführen. Weitere Einzelheiten hier.
Außerhalb der aktiven Periode haben die Patienten in der Regel keine Attacken und können beschwerdefrei sein. Dieses charakteristische zeitliche Verhalten ist namensgebendes Spezifikum des Clusterkopfschmerzes. Sehr häufig haben Patienten daher den Eindruck, dass die Methode, die zeitlich zufällig am Ende einer aktiven Periode durchgeführt worden ist, verantwortlich für einen vermeintlichen „Heilungserfolg“ ist. Andere sehen ein Lebensereignis, eine bestimmte Diät oder sonstige Maßnahmen, die vor dem spontanen Auslaufen einer aktiven Periode aufgetreten sind, als Grund für die Beendigung an. Lernpsychologisch wird das Ereignis mit dem beobachteten Effekt kausal verknüpft, ohne dass dieses tatsächlich ursächlich belegt ist. Auch bei Ärzten, die ohne wissenschaftliche Regeln und Kontrollen ihre Maßnahmen beurteilen, wirkt dieser Effekt: Bemerken diese, dass eine Behandlungsmaßnahme manchmal wirkt, manchmal nicht, wird ein vermeintlicher Zusammenhang gesehen. Lernpsychologisch nennt man dies ein abergläubisches Verhalten, das durch die unregelmäßige Verstärkung besonders fest verankert wird. Eine ähnliche Situation findet sich z.B. auch bei der Besprechung der Gürtelrose. Auch hier klingen die Spontanschmerzen in der Regel nach einer festen Zeitspanne ab, die Besprechung wird als ursächlich dafür angesehen, obwohl der Spontanverlauf ohne Besprechung die gleichen „Erfolge“ erzielt. Mangels wissenschaftlicher Kontrolle wird dies jedoch nicht gesehen und man glaubt sehr stark an den bedingenden Zusammenhang. Diese Vorgehensweise ist Charakteristikum der vorwissenschaftlichen Medizin.
Viele Patienten probieren aufgrund des hohen Leidensdrucks in der Hoffnung, dass sie vom Clusterkopfschmerz vollständig geheilt werden können, vielfältigste Methoden aus, die angeboten werden. Dies trifft umso mehr für Patienten zu, die mit den aufgrund wissenschaftlicher Untersuchung bestätigten Therapieverfahren keine Wirksamkeit erzielen oder diese nicht akzeptieren. Für diese kleine Gruppe mit Therapieunzufriedenheit gibt es im Internet vielfältigste Therapieversprechungen. Den Betroffenen wird dabei in Aussicht gestellt, dass sie von ihren Clusterkopfschmerzen komplett geheilt werden können und diese dann nicht mehr auftreten. Aufgrund des speziellen Verlaufes von Clusterkopfschmerzen gibt es naturgemäß immer wieder einzelne Patienten, die tatsächlich sich am Ende einer aktiven Periode zeitlich zusammenfallend einer entsprechenden Behandlungsmethode unterzogen haben. Obwohl ein direkter kausaler Zusammenhang aufgrund der Einzelfallsituation wissenschaftlich nicht begründet wird, nehmen dann Betroffene an, dass jetzt die zuletzt eingesetzte Methode tatsächlich die aktive Clusterkopfschmerzperiode zum Stillstand gebracht habe. Greift man entsprechende Verfahren jedoch wissenschaftlich auf und prüft sie systematisch, zeigt sich, dass solche Behandlungsergebnisse aufgrund des rein zufälligen zeitlichen Zusammenhangs im Einzelfall die vermeintlichen verblüffenden Erfolge verzeichnen. Die jeweiligen Anbieter solcher Methoden unterlassen es genau aus diesen Gründen, diese Verfahren einer kontrollierten wissenschaftlichen Prüfung zu unterziehen. Durch eine solche wissenschaftliche Analyse würde schnell deutlich werden, dass es sich entsprechend um zeitliche, aufgrund des spezifischen Verlaufes der Clusterkopfschmerzen, Zufallsereignisse handelt. Ein Beispiel dafür ist die sog. „Dekompressive Ethmoido-Sphenoidektomie“, die der Schweizer HNO-Arzt Novak propagiert (sog. „Novak-Op“). Es handelt sich dabei um eine potentiell lebensbedrohliche Operationsmethode, bei der großflächig und radikal Gewebe im Nasen- und Rachenraum entfernt werden. Diese Methode wird nicht nur für Clusterkopfschmerz, sondern auch für Wetterfühligkeit bei Migräne, Spannungskopfschmerzen oder Neuralgien propagiert. Von einer spezifischen Ursache von Clusterkopfschmerzen, die durch Septumkorrektur, Entfernung der mittleren Muschel, Ethmoidektomie und Sphenoidektomie beseitigt werden kann, geht der Operateur selbst nicht aus und propagiert sie für alle primären Kopfschmerzformen. Kontrollierte Studien legt er nicht vor. Gleichwohl wird seine Therapie in Internet und Medien beworben. Für alle primären Kopfschmerzen wird Heilung versprochen: “The findings in the present study have enabled the true pathophysiologic background, environment, and trigger zone for the development of migraines and so-calIed vascular idiopathic primary headaches to be documented and have made possible a successful surgical approach to the different types of headache.”
Die wissenschaftliche Gemeinschaft sucht sehr intensiv international nach neuen Therapieverfahren, die gerade für schwerbetroffene Menschen mit Clusterkopfschmerzen wirksam sind, denen mit den Standardtherapieverfahren nicht ausreichend zu helfen ist. Dazu gehören neuerdings tatsächlich auch operative Verfahren im Rahmen der Neuromodulation. Aufgrund der besonderen Schwere von Clusterkopfschmerzen wurde die Möglichkeit der sogenannten Tiefenhirnstimulation aufgrund von Einzelfallberichten zunächst nahezu enthusiastisch propagiert. In kontrollierten Studien bestätigte sich der Effekt nicht. Diese Methode ist daher für die Behandlung von Clusterkopfschmerzen verlassen worden. Für andere Verfahren, wie die Occipitalis-Nervenstimulation (ONS), konnte die Wirksamkeit in systematischen Überprüfungen dagegen bestätigt werden. Nachgewiesener Nutzen, geringe Risiken bei der Operation, Reversibilität und praktikable Anwendung machen dieses Verfahren zu einer verantwortbaren Option bei therapieresistenten Krankheitsverläufen. Ziel ist dabei, die schmerzverarbeitenden Systeme durch elektrische Nervenimpulse so zu stabilisieren, dass möglichst Clusterkopfschmerzen vermieden werden oder deutlich weniger und weniger intensiv auftreten. In internationalen wissenschaftlichen Untersuchungen konnten Belege dafür gefunden werden, dass bei schwerbetroffenen Menschen mit Clusterkopfschmerzen oder anderen schweren Schmerzerkrankungen solche Neuromodulationsverfahren tatsächlich wirksam sein können. Hier handelt es sich nicht um ungeprüfte Einzelfallbeobachtungen, sondern um in international replizierten und kontrollierten wissenschaftlichen Studien belegte Behandlungsverläufe. Aus diesem Grunde werden solche Therapieverfahren auch durch nach wissenschaftlichen Kriterien arbeitenden Kliniken den Patienten eröffnet und von der Versichertengemeinschaft getragen.
Ungeprüfte Verfahren, die sich solchen Prüfungen nicht unterzogen haben, werden durch einzelne Anbieter angeboten und beworben, eine wissenschaftliche Prüfung und Akzeptanz durch die international wissenschaftliche Gemeinschaft besteht jedoch nicht. Ein spezielles Beispiel für ein solches Verfahren ist die beschriebene Hals-Nasen-Ohren-Operation des Schweizer Anbieters. Gibt man z.B. im Internet das Stichwort „Kopfschmerz und Therapieverfahren“ ein, wird man eine unzählige, nahezu bizarre Vielfalt von „Therapieverfahren“ finden, die den Schwerbetroffenen angeboten werden. Es wird versprochen, dass Migräne und Clusterkopfschmerzen wegoperiert werden und ursächlich geheilt werden können.
Allein die Vielfalt, die Unterschiedlichkeit und die teilweise bizarren Maßnahmen, die den schwerbetroffenen Menschen auferlegt werden, sollten zu denken geben. Sie werden ohne kontrollierte wissenschaftliche Prüfungen unsortiert und nach Einzelmeinung betroffenen Patienten öffentlich propagiert. Abergläubisches Verhalten führt zu angeblichen sensationellen Heilungserfolgen, die missionarisch vertreten werden. Gleichzeitig werden Patienten verunsichert, sie unterziehen sich z.T. lebensgefährlichen Risiken oder kostspieligen frustranen Therapiemaßnahmen. Einen Einblick gibt die Diskussion im Forum der Clusterkopfschmerzselbsthilfegruppen:
Umso wichtiger ist es, dass durch spezielle Fachzentren, durch die wissenschaftliche Gemeinschaft in freizugänglichen kontrollierten Publikationen die Wirksamkeit und die Sicherheit von Verfahren geprüft werden, bevor sie allgemein empfohlen werden. Dies gilt umso mehr, wenn die Kosten von Therapieverfahren der Versichertengemeinschaft auferlegt werden und quasi die Allgemeinheit dafür wirtschaftlich aufkommen soll. Es ist aber auch deshalb bedeutsam, da solche Verfahren Risiken und Nebenwirkungen beinhalten können, die ohne nachgewiesenen Nutzen im Einzelfall sogar lebensbedrohliche Komplikationen bedingen können. Dies gilt gerade auch für die sog. Novak-Op, bei der lebensbedrohliche Blutungen bekannt sind.
Clusterkopfschmerzen können durch die heutigen wissenschaftlichen Methoden in aller Regel sehr schnell und sehr effektiv behandelt werden. Sie sind geradezu ein Beispiel dafür, dass Kopfschmerzen durch moderne medizinische Verfahren sehr spezifisch diagnostiziert werden und sehr gut behandelt werden können. Das Beenden einer aktiven Clusterkopfschmerzperiode im Einzelfall und die ursächliche Verknüpfung dieser Beendigung durch eine Therapiemaßnahme im Einzelfall sind kein Beleg für den angenommenen Wirkmechanismus bzw. Entstehung von Clusterkopfschmerzen. Wir erleben es immer wieder, dass Patienten, die sich zunächst solchen Therapieverfahren unterzogen haben und aufgrund des Ausbleibens von Attacken ganz euphorisch über Monate solche Verfahren geradezu missionieren, beim erneuten Ausbruch einer akuten Clusterkopfschmerzperiode es bedauern, dass sie einen entsprechenden Zusammenhang gesehen haben und sich entsprechend behandeln ließen.
Unabhängig von diesen allgemeinen Erörterungen gibt es in der internationalen Kopfschmerz-Klassifikation eine Unterform von Kopfschmerzen, die auf sogenannte Mucosa-Kontaktpunkte zurückzuführen ist. Man geht dabei davon aus, dass Schleimhäute von benachbarten Nasenmuscheln aufeinanderliegen und zu einem gegenseitigen Druck führen. Auf einen ähnlichen Hintergrund basiert die HNO-Operation, die von dem Schweizer Anbieter propagiert wird. Letzterer geht davon aus, dass vielfältigste Kopfschmerzformen durch eine solche Schleimhautkompression entstehen. In der wissenschaftlichen Literatur wird jedoch unter einem Kopfschmerz, der auf einen Mucosa-Kontaktpunkt zurückzuführen ist, eine ganz spezielle Unterform eines Kopfschmerztyps herauscharakterisiert. Dieser Schmerz tritt um das Auge herum, im Bereich des Lidwinkels und im Bereich der Jochbeinregion auf. Ein Mucosa-Kontaktpunkt kann durch nasale Endoskopie oder durch CT- bzw. MRT-Bildgebung festgestellt werden. Ein Kopfschmerz bei Mucosa-Kontaktpunkt kann durch Veränderungen der Schleimhautverlagerung in Abhängigkeit von Schwerkraftveränderungen beim Wechsel zwischen Liegen und Stehen festgestellt werden. Auch verschwindet der Kopfschmerz innerhalb von 5 Minuten nach lokaler Anwendung von Lokalanästhetika im Bereich der mittleren Nasenmuschel. Der Kopfschmerz verschwindet typischerweise innerhalb von sieben Tagen nach operativer Entfernung der Mucosa-Kontaktpunkte. Aus den Schilderungen wird deutlich, dass hier ganz spezielle Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um einen Zusammenhang zwischen Kopfschmerz und Veränderungen der Nasenmuschel oder der Nasenschleimhaut herzustellen. Der dadurch bedingte Kopfschmerz ist nicht mit einem Clusterkopfschmerz zu vergleichen.