Wie unterscheiden Sie die Symptome der Migräne bei Kindern von denen bei Erwachsenen?

Ca. 5% der Kinder leiden an Migräne bis zum 10. Lebensjahr. Häufig werden die Migräneattacken bei Kindern nicht zeitgerecht erkannt. Sie unterscheiden sich in vielen Aspekten von den Migräneanfällen von Erwachsenen. Schon das Konzept, dass Migräne eine Mädchenerkrankung ist, führt bei Jungen zu einer fehlenden oder verzögerten Diagnosestellung. Dies ist insbesondere von Bedeutung, da bis zur Pubertät die Migräne mit höherer Wahrscheinlichkeit bei Jungen als bei Mädchen auftritt. Während Lärm- und Lichtüberempfindlichkeit bei Erwachsenen sehr typische Migränesymptome sind, können solche Begleitsymptome bei Kindern fehlen oder geringer ausgeprägt sein. Zudem sind sie auch nur sehr schwer in der Lage, Begriffe für solche Überempfindlichkeiten zu bilden und dies zu kommunizieren. Migräneattacken bei Kindern sind häufiger in stärkerem Ausmaß von Geruchsüberempfindlichkeit, Schwindel und Bauchschmerzen begleitet. Rund 70% der Kinder empfinden während der Migräneattacke sogenannte autonome Symptome. Solche Symptome werden im Erwachsenenalter mehr bei Clusterkopfschmerzen beschrieben. Im Kindesalter können sie auch bei Migräne beobachtet werden. Diese Symptome schließen Gesichtsschwitzen oder Gesichtsröte ein. Das Auge kann gerötet sein oder tränen. Die Nase kann laufen oder verstopft sein. Die Augenlider können angeschwollen sein und auch ein Augenlid kann eine Schwäche aufweisen. Die Kopfschmerzphase von Kindern ist häufig kürzer als im Erwachsenenalter und kann auch weniger als 4 Stunden umfassen. Auch die Seitenlokalisation ist bei Kindern weniger ausgeprägt als wie im Erwachsenenalter. Währendem im Erwachsenenalter der Kopfschmerz oft einseitig auftreten kann, ist bei Kindern der Schmerz meist auf beiden Seiten lokalisiert. Schließlich gibt es im Kindesalter sogenannte Migränevarianten. Dabei handelt es sich um periodisch auftretende Symptome in der Kindheit. Dazu gehören die episodische Reiseübelkeit, periodische Schlafstörungen wie Schlafwandeln, Sprechen im Schlaf, Aufschrecken im Schlaf und Zähneknirschen. Prägnant sind auch das periodisch auftretende Erbrechen oder periodische Bauchschmerzen. Auch plötzlich auftretender Schwindel oder ein plötzlich auftretender Schiefhals können episodische Symptome in der Kindheit sein, die mit einer Migräne einhergehen können.

Woran erkennt man Migräne bei Kindern?

Die Kopfschmerzen während einer Migräneattacke laufen in 4 Phasen ab. In der Phase vor der Kopfschmerzattacke zeigen sowohl Kinder als auch Erwachsene Stimmungsveränderungen wie z.B. Reizbarkeit. Kinder zeigen zudem im höheren Ausmaß Blässe oder entwickeln dunkle Augenränder. Die Kinder berichten dabei auch häufiger Bauchschmerzen, Durchfall oder Verdauungsschwierigkeiten. Auch muskuläre Steifheit, Müdigkeit und Gähnen können auftreten. In der sogenannte Auraphase, können häufig Sehstörungen und andere neurologische Symptome auftreten. Kindern fällt es schwer, diese Veränderungen zu beschreiben. Daher können sie z.B. Zickzacklinien im Gesichtsfeld, Kribbelmissempfindungen, Schwindel oder Sprachstörungen nur sehr schwer kommunizieren. Während der Kopfschmerzphase sind die Kinder auch nur sehr schwer in der Lage, die Schmerzcharakteristika zu beschreiben. Auch hierzu fehlen ihnen noch die Vokabeln, um z.B. einen pulsierenden Schmerz in der Kommunikation mitzuteilen. Auch die Schwere der Schmerzen können sie nur schlecht in Worte fassen. Aus diesem Grunde ist es wichtig, durch Beobachtung des Verhaltens und auch durch Wahrnehmung von Veränderungen des Effektes bei Kindern die Schmerzen zu erfassen. Kinder können z.B. den Beginn von Schmerzen nur schwer kommunizieren. Sie hören jedoch auf zu spielen oder zu essen, sie können weinen, gereizt sein oder auch Wutanfälle haben. Diese Veränderungen können nicht die Diagnose einer Migräne begründen. Sie sind jedoch Hinweise auf den Beginn und Ablauf einer Migräne. Nach Abklingen der Kopfschmerzen schließt sich die sogenannte Nachphase der Migräne an. Im Erwachsenenalter finden sich hier häufig Müdigkeit, Schwäche, Stimmungsänderungen, Schmerzen im Nacken, Konzentrationsschwierigkeiten oder Schwindel. Kinder klagen in dieser Phase häufiger über Durst, Schläfrigkeit, Sehstörungen, Hunger, Kribbeln, Taubheit sowie Augenschmerzen.

Sollten Kinder mit Migräne und Kopfschmerzen ärztlich untersucht werden?

Wenn Kopfschmerzen im Leben neu auftreten und noch keine Klarheit zur Entstehung und Art der Kopfschmerzen besteht, sollte eine ärztliche Diagnostik und ein ärztlicher Behandlungsplan erarbeitet werden. Daher sollten Kinder eingehend ärztlich untersucht werden. Die häufigsten Kopfschmerzen sind Migräne und der Kopfschmerz vom Spannungstyp. Allein diese beiden Formen sind für über 92% aller Kopfschmerzleiden verantwortlich. Es werden heute jedoch über mehr als 367 Hauptformen von Kopfschmerzen unterschieden. Aus diesem Grunde ist es wichtig, dass auch im Einzelfall seltene Kopfschmerzerkrankungen frühzeitig erfasst werden. Je früher Klarheit zur Diagnose besteht, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit für eine effektive Behandlung.

Gibt es für Kinder allgemeine vorbeugende Maßnahmen?

Kinder, als auch Eltern sollten eine Beratung über Lebensstilfaktoren, die die Migräne verstärken können, sowie den Umgang mit Migräneauslösern erhalten. Alles zu Schnelle, alles zu Unregelmäßige, alles zu Plötzliche und alles zu Häufige sollten im Alltag vermieden werden. Gleichtakt und Regelmäßigkeit im Alltag ist das Prinzip. Ein regelmäßiger Tag-Nacht-Rhythmus sollte eingehalten werden. Die Einnahme von Mahlzeiten zu festen Zeiten ist ebenfalls wichtig. Insbesondere sollte auf ein ausreichendes kohlenhydratreiches Frühstück in Ruhe geachtet werden. Ausreichendes Trinken im Tagesablauf ist ebenfalls bedeutsam. Insbesondere sollten Kinder Zeit haben für Entspannung und Ruhe am Tag. Der Medienkonsum sollte limitiert sein und Zeit für Aufenthalt an der frischen Luft und sportliche Betätigung sollte ausreichend eingeplant werden.

Gibt es für Kinder wirksame vorbeugende Entspannungsverfahren

Zur Vorbeugung können Kinder die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson durchführen. Das Verfahren kann z.B. mit Hilfe der Migräne-App (kostenlos in den Appstores für IOS und Android) geübt werden. Biofeedback ist ebenfalls eine wirksame Therapieform, die im Rahmen von verhaltenstherapeutischen Behandlungen erlernt werden kann.

Welche Allgemeinmaßnahmen können Kindern im Anfall helfen?

Lokales Kühlen mit einem Coolpack von Stirn und Schläfen, die Möglichkeit zum Rückzug und Schlaf reicht bei einem Teil der Kinder zur Therapie einer akuten Migräneattacke bereits aus. Dies stellt die Basistherapie dar. Reizabschirmung, Vermeidung von grellem Licht und Geräuschen sollten ebenfalls ermöglicht werden.

Welche Medikamente kann man bei Bedarf Kindern gegen Migränebeschwerden geben und wann sollte man das am besten tun?

Zur Behandlung von Migräneattacken bei Kindern wird in erster Linie Ibuprofen 10 mg/kg Körpergewicht empfohlen. Ab dem 12. Lebensjahr kann auch Acetylsalicylsäure in einer Dosierung von 500 mg eingesetzt werden. Besteht Übelkeit oder Erbrechen kann Domperidon ab dem 12. Lebensjahr eingesetzt werden. Zur Behandlung der Migräne bei Jugendlichen ab dem 12. Lebensjahr sind Sumatriptan 10 mg und Zolmitriptan 5 mg als Nasenspray zugelassen. Es liegen auch mittlerweile umfangreiche Daten vor, um bei nichtausreichendem Ansprechen auf die Akuttherapie mit Schmerzmitteln den Einsatz von Triptanen in Form von Sumatriptan 10 mg oder 20 mg als Nasenspray, Zolmitriptan 2,5 oder 5 mg in Tablettenform, Rizatriptan 5 oder 10 mg in Tablettenform und Almotriptan 12,5 mg in Tablettenform bei entsprechender Aufklärung auch vor dem 12. Lebensjahr zu rechtfertigen. Sollten sich akute Migräneattacken bei Kindern und Jugendlichen nicht ausreichend wirksam behandeln lassen, kann auch die Therapie mit subkutan injiziertem Sumatriptan nach entsprechender Aufklärung nach den aktuellen Leitlinien erwogen werden. Sowohl Kinder als auch deren Eltern sollten umfangreich über die Therapiemöglichkeiten der Migräneattacke informiert werden. Sie sollten auch auf die Notwendigkeit einer frühzeitigen Einnahme des Akutmedikaments im Rahmen des Anfalls hingewiesen werden. Wirkung und Verträglichkeit können dadurch verbessert werden.