Unkonventionelle Verfahren: Von Akupunktur bis Zahnbehandlung
Bevor Therapieverfahren in der Wissenschaft guten Gewissens empfohlen werden können, müssen die Methoden ihre Wirksamkeit und Verträglichkeit in strengen Prüfungen unter Beweis stellen. Dafür gibt es mehrere Gründe:
- Patienten haben von unwirksamen Methoden keinen Nutzen
- Patienten können durch eventuelle Nebenwirkungen Schaden nehmen
- Die Versichertengemeinschaft muss für nutzlose Therapieverfahren zahlen
Unkonventionelle medizinische Richtungen beinhalten diagnostische und therapeutische Methoden, deren Wirksamkeit und Verträglichkeit noch nicht mit der erforderlichen Sorgfalt und Qualität untersucht worden sind. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie unwirksam sein müssen.
Viele der heute etablierten konventionellen Therapieverfahren waren einmal unkonventionell. Der Saft der Saalweide zum Beispiel, in dem der Wirkstoff von Aspirin enthalten ist, ist dafür ein gutes Beispiel. Allerdings kann man den Therapieeffekt von unkonventionellen Verfahren nicht kalkulieren, weil angemessene wissenschaftliche Studien fehlen. Zweifelsfrei wäre für die unkonventionellen Methoden überhaupt kein Platz, wenn die konventionellen Verfahren ausreichend für alle Menschen wirksam wären. Man sollte sich dem Thema also relativ vorurteilsfrei stellen.
Akupunktur
Die Akupunktur ist ein etwa 4.000 Jahre altes chinesisches Verfahren, das bei allen möglichen Krankheiten und Beschwerden wirksam sein soll. Doch die „Akupunktur“ an sich gibt es nicht. Es kommen vielmehr eine ganze Reihe unterschiedlicher Verfahren zum Einsatz: Körperakupunktur, Ohrakupunktur, Auriculotherapie, Moxibustion, Akupunkturinjektionen, Nadelakupunktur mit elektrischer Stimulation, Elektroakupunktur, Laserakupunktur und andere.
Bei der klassischen chinesischen Akupunktur werden in bestimmte Hautpunkte Nadeln aus Stahl, Gold oder Silber eingestochen. Die Punkte werden auf bestimmten Linien lokalisiert, welche den gesamten Körper überziehen und von den Chinesen Jing luo genannt wurden, übersetzt etwa „netzartig verbindende Gefäß-Nervensysteme“. Westliche Ärzte nennen diese Linien in Anlehnung an das Längen- und Breitengradsystem der Erde Meridiane. Nach der traditionellen Lehre soll in diesen Linien die Lebensenergie (Qi) fließen. Durch das Einstechen der Akupunkturnadeln soll der gestörte Energiefluß reguliert und normalisiert werden.
Heute versucht man, die Wirkung der Akupunktur mit modernen Konzepten zur Schmerzwahrnehmung zu erklären. So wird vermutet, dass durch das Einstechen der Akupunkturnadeln körpereigene Schmerzabwehrsysteme stimuliert werden.
Studien zur Bewertung der Akupunktur sind durch große methodische Probleme belastet. Und leider ist das Ergebnis dieser Studien sehr widersprüchlich. Ein bedeutsamer Therapieeffekt kann in diesen Studien nicht nachgewiesen werden.
Sicher ist jedoch, dass die Migränehäufigkeit oft in der ersten Zeit einer Akupunkturbehandlung abnimmt. Hierin unterscheidet sich die Akupunktur jedoch nicht von einer Behandlung mit einem wirkstofffreien Placebo. Berücksichtigt man diese Studienergebnisse, muss man feststellen, dass nach derzeitigem Wissen die verschiedenen Akupunkturbehandlungn allenfalls kurzfristige und mäßige Therapieeffekte zeigen. Da Akupunktur eine einfache, von sich aus billige und nebenwirkungsarme Methode ist, sollte sie möglichst bald von allen Mythen und Ideologien befreit werden. Eine vorurteilsfreie Bewertung der Verfahren in wissenschaftlichen Untersuchungen könnte dann den wahren Stellenwert nachvollziehbar machen.
Akupressur
Bei dieser Methode drücken oder massieren die Patienten selbst mit Daumen oder Zeigefinger bestimmte Punkte am Körper, die mit dem Meridiansystem der Akupunktur in Verbindung stehen. Zudem müssen Entspannung und Ruhe eingehalten werden. Wissenschaftliche, kontrollierte Studien zur Wirksamkeit bei Migräne gibt es nicht, so dass wir auch hier nicht von einer Wirkung ausgehen können.
Chiropraktik
Chiropraktische Methoden versuchen u.a. die Stellung der Wirbelgelenke in der Halswirbelsäule gegeneinander zu korrigieren. Obwohl es sehr viele Untersuchungen zur Wirksamkeit von chiropraktischen Methoden in der Behandlung von Kopfschmerzerkrankungen gibt, werden diese fast ausnahmslos wegen erheblicher methodischer Mängel nicht anerkannt.
In einer methodisch gut kontrollierten Studie fand sich kein Unterschied zwischen einer chiropraktischen Behandlung, leichten Halswirbelsäulenbewegungsübungen und einer Massagebehandlung. In selten Fällen kann zudem durch chiropraktische Manipulation ein Schlaganfall ausgelöst werden. Es scheint also kein Grund zu bestehen, dieses Risiko bei mangelnder Wirksamkeit einzugehen.
Diäten
Eine naturgemäße, ausgeglichene Ernährung ist zweifelsfrei gesünder als denaturierte Industrienahrung und eine einseitige Ernährung. Die Abstinenz von Genussgiften ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt einer gesunden Lebensweise. Es wurden spezielle Diätprogramme entwickelt, wie z.B. die Evers-Diät, F.X.Mayer-Diät und andere Verfahren. Sieht man von der Vermeidung von speziellen Auslösefaktoren ab, ist ein spezifischer Effekt von speziellen Diäten in der Therapie von Kopfschmerzen durch kontrollierte wissenschaftliche Studien bisher jedoch nicht nachgewiesen.
Elektrostimulation
Die Stimulation des Nackens oder anderer Körperteile mit elektrischem Strom wird bei Kopfschmerzen schon seit über 100 Jahren eingesetzt. Heute werden Strombehandlungen in Form von „transkutaner elektrischer Nervenstimulation“ (TENS) oder „Punktueller transkutaner elektrischer Nervenstimualtion“ (PuTENS) angeboten. Beide Verfahren verwenden Hautelektroden, über die der Strom durch die Haut (=transkutan) Nerven stimulieren kann.
Die beiden Methoden unterscheiden sich in der Art der Elektroden: es werden entweder großflächige Elektroden oder punktuelle Elektroden eingesetzt. Von Geräteanbietern werden die Verfahren zur Vorbeugung von Migräneattacken empfohlen. Wissenschaftliche Studienergebnisse zeigen, dass sich nur bei einigen Patienten zeitweise Besserung erzielen lässt.
Fokalsanierung
Chronische Infekte, insbesondere im Bereich der Zähne, sollen zur Entstehung von chronischen Erkrankungen führen. Durch eine Beseitigung des Krankheitsherdes (=Fokus) soll die Erkrankung verschwinden. Therapeutisch werden deshalb kranke Zähne saniert, manchmal auch das gesamte Gebiss entfernt. Eine Wirksamkeit in der Therapie von Kopfschmerzen durch kontrollierte wissenschaftliche Studien ist bisher ungeklärt.
Homöopathie
Die Homöopathie erfreut sich großer Beliebtheit, da arzneiliche Wirkung suggeriert wird mit dem zusätzlichen Versprechen der bestmöglichen Verträglichkeit. Viele Menschen möchten dieser sanften und nebenwirkungsfreien Methode vertrauen, was durchaus verständlich und nachvollziehbar ist. Die Homöopathie basiert auf den Gedanken des Ähnlichkeits-, des Simileprinzips. Ähnliches soll mit Ähnlichem geheilt werden, so dachte sich das Samuel Hahnemann vor 200 Jahren. Den Nachweis ist die Homöopathie bis jetzt schuldig geblieben. Man sollte sich der Tatsache bewusst sein, dass Homöopathie nicht über eine arzneiliche Wirkung (es ist kein Wirkstoff mehr enthalten) einen Effekt hat, sondern nur über das Ritual und den Placeboeffekt. Der Homöopath nimmt sich Zeit, hört zu, lässt den Patienten sprechen und interessiert sich für alle Lebensbereiche – er hat eine „ganzheitliche“ Sicht auf den Patienten. Im besten Fall hat dies der behandelnde Arzt auch, dann fühlt sich der Patient gut aufgehoben.
Die Homöopathie hat in über 200 Jahren keinen Wirknachweis erbringen können. In den hohen Potenzen ist kein Molekül des Wirkstoffs mehr nachzuweisen, man glaubt an eine Erinnerungsfähigkeit des Wassers.
Hypnose
Die Hypnose ist eine besondere, vertiefte Entspannungsmethode. Für einige Anwendungsgebiete ist ihre Wirksamkeit zweifelsfrei belegt. Bis heute gibt es jedoch keine Studie, die belegt, dass diese Methode bei Kopfschmerzen effektiv ist.
Kältetherapie
Die Anwendung von Kälte bei Kopfschmerzen, die so genannte Cryotherapie, ist ein altes Verfahren. Man legt kalte Umschläge um die Schläfen, Eisbeutel oder trägt spezielle Kühlgels auf. Der angenommene Wirkmechanismus ist, dass sich die Blutgefäße durch den Kälteeffekt zusammenziehen. Einige Studien zeigen, dass diese Methoden bei leichten Kopfschmerzen einen angenehmen Effekt haben können, aber als eigenständiges Therapieverfahren nicht ausreichen.
Kneipp-Therapie
Wassertreten, Wechselbäder, Knie-, Schenkel-, Arm- und Gesichtsgüsse werden bei Kopfschmerzen empfohlen. Kontrollierte Studien zur Wirksamkeit, die wissenschaftlichen Kriterien genügen, stehen aus. Da die Kneipp-Therapie jedoch weit mehr umfasst als nur die Wasseranwendungen – vor allem einen ausgeglichenen Lebensstil propagiert – wäre eine prophylaktische Wirkung aufgrund dieser Aspekte im Bereich des Möglichen.
Magnetfeldtherapie
Magnetfelder verschiedener Stärke wurden gegen Kopfschmerzen eingesetzt. Studien, die eine Wirksamkeit bei Kopfschmerzen belegen, sind nicht bekannt.
Nackenmassagen
Es gibt bis heute keine kontrollierte wissenschaftliche Untersuchung, ob Massagen bei Migräne hilfreich sein können. Im Gegenteil berichten manche Patienten, dass durch Massagen sogar Migräneattacken ausgelöst werden können.
Neuraltherapie
Die Neuraltherapie versucht u.a. Störfelder durch Injektionen von Lokalanästhetika zu beheben. Diese Therapieform wird für verschiedenste Erkrankungen eingesetzt. Ein Effekt in der Therapie von Kopfschmerzen durch kontrollierte wissenschaftliche Studien ist ungeklärt.
Psychophonie
Unter dem Kunstwort „Psychophonie“ wird mit dem Slogan „Hör dich gesund“ für ein Therapieverfahren geworben, das neben einer Vielzahl von Erkrankungen – z.B. Schlafstörungen, Depression usw. – auch gegen Migräne wirksam sein soll. Das Verfahren besteht aus mehreren Schritten. Zunächst wird ein Elektroenzephalogramm (Hirnstrommessung; EEG) abgeleitet, das in einen Computer eingelesen wird. Von Bedeutung soll sein, dass dieses EEG außerhalb der Zeitphase einer Migräneattacke abgeleitet wird. Die elektrischen Ströme werden dann durch den Computer in hörbare Klänge umgewandelt. Der Patient erhält dann eine Tonbandkassette mit dieser „Musik“. Diese Kassette soll regelmäßig angehört werden. Ziel ist, das Gehirnerregungsmuster hörbar zu machen, um eine Entspannung für das Gehirn zu ermöglichen.
Das Verfahren ist bisher nicht ausreichend wissenschaftlich geprüft worden. Es handelt sich auch nicht um ein Biofeedback-Verfahren, da die aktuelle EEG-Aktivität nicht zurückgemeldet und aktiv beeinflußt werden kann. Vielmehr handelt es sich um die Darbietung eines immer wieder gleichen Tonstückes, das im besten Falle eine unspezifische Entspannung ermöglicht.
Sauna
Saunabesuche können maßgeblich die Befindlichkeit verbessern. Bei einigen Menschen sind sie jedoch auch Auslöser von Migräneattacken. Kontrollierte Studien zur Wirksamkeit bei Kopfschmerzen sind nicht bekannt. Denkbar wäre jedoch, dass die ausgleichende Wirkung des Saunens auf das vegetative Nervensystem eine positive Rolle für die Prophylaxe spielen könnte.
Schlafkuren
Während der Schlafkur werden Patienten in einen leichten Dämmerschlaf über mehrere Tage versetzt. Der Schlaftiefe erlaubt jedoch noch den Gang zur Toilette. Ein Effekt in der Therapie von Kopfschmerzen ist durch kontrollierte wissenschaftliche Studien bisher nicht nachgewiesen.
Schlangen-, Spinnen- und Skorpiongifte
Das Einspritzen von Giften stammt aus dem chinesischen Kulturkreis und wird heute noch von Heilpraktikern eingesetzt. Die Gifte sollen auf das Nerven- und Immunsystem wirken. Eine nachvollziehbare Erklärung für diese Therapiemethode existiert nicht.
Stellatum-Blockaden
Dabei werden Lokalanästhetika in das Ganglion stellatum (Nervenknotenpunkt am Hals) gespritzt. Man glaubt, damit Durchblutungsstörungen zu beheben. Ein Effekt in der Therapie von Kopfschmerzen ist bisher nicht nachgewiesen worden.
Zahnbehandlungen
Obwohl zweifelsfrei Kopf- und Gesichtsschmerz durch Störungen des Kausystems verursacht werden können, gibt es bis heute keine gesicherten Hinweise dafür, dass die Migräne durch solche Anomalien verursacht wird. Manchmal werden Zahnspangen oder Aufbissschienen bei Migräne angeraten. Studien, die die Wirksamkeit solcher Therapien bei Migräne belegen, liegen jedoch nicht vor.